Wie viele muslime gibt es weltweit 2022

Wie viele muslime gibt es weltweit 2022

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Die Geschichte des Islam in Deutschland reicht über ein Jahrhundert zurück. Die meisten der heute bestehenden Moscheegemeinden und Dachverbänden entstanden aber ab den 1970er Jahren. Damals kamen im Zuge der Anwerbung von "Gastarbeiter*innen" Muslim*innen aus der Türkei, Ex-Jugoslawien und dem Maghreb nach Deutschland. Wie viele Muslim*innen leben heute in Deutschland? Welchen Glaubensrichtungen gehören sie an? Zahlen und Fakten zum Thema finden Sie in dieser Rubrik.

Wie viele Muslime leben in Deutschland?

Die genaue Zahl der Muslim*innen lässt sich nur schwer bestimmen, da in Deutschland die Religionszugehörigkeit der Einwohner*innen nur in Ausnahmefällen erfasst wird. Eine Hochrechnung des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) für 2019 kommt auf 5,3 bis 5,6 Millionen Muslim*innen in Deutschland. Das entspricht einem Anteil von 6,4 bis 6,7 Prozent an der Gesamtbevölkerung von 83,17 Millionen Menschen.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2021): "Muslimisches Leben in Deutschland", S. 37

2015 lebten der Hochrechnung zufolge zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslim*innen in Deutschland. Ihr Anteil ist somit in den letzten Jahren gestiegen. Hinzugekommen sind vor allem Personen aus arabischsprachigen Ländern, darunter viele Geflüchtete.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2021): "Muslimisches Leben in Deutschland", S. 39

Der Studie zufolge leben 96,5 Prozent der Muslim*innen in Deutschland in den alten Bundesländern. Gerade die Menschen, die selbst oder deren Vorfahren durch Anwerbeabkommen nach Deutschland gekommen sind, leben meist in Westdeutschland. Die meisten Muslim*innen in Ostdeutschland sind nach Deutschland Geflüchtete.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2021):"Muslimisches Leben in Deutschland (2020). Fact Sheet zur regionalen Verteilung muslimischer Religionsangehöriger mit Migrationshintergrund aus einem muslimisch geprägten Herkunftsland nach Bundesland

In Umfragen schätzen viele Menschen die Zahl und den Bevölkerungsanteil der Muslim*innen an ihren Gesellschaften oft weitaus höher ein, als er tatsächlich ist. In Deutschland und Frankreich wird der Anteil der Muslim*innen an der Gesamtbevölkerung des eigenen Landes im Durchschnitt vier Mal höher eingeschätzt, als er in Wirklichkeit ist. In Polen und Ungarn wird der tatsächliche Anteil sogar um ein 70-faches überschätzt.Quelle Ipsos (2016): Perils of Perception. A 40-country-study.

Wie aussagekräftig sind die Zahlen des BAMF?

Die Berechnung des BAMF stützt sich auf Ergebnisse der Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland"(MLD-Studie) von 2020, sowie auf den Mikrozensus von 2019:

  • In der MLD-Studie wurden rund 5.000 Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten HerkunftsländernAfghanistan, Bangladesch, Iran, Pakistan, Irak, Jordanien, Libanon, Syrien, Jemen, Saudi-Arabien, VAE, Marokko, Ägypten, Libyen, Algerien, Tunesien, Albanien, Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Nordmazedonien, Serbien, Türkei, sowie ca. 11.000 Haushaltsangehörige indirekt nach ihrer Religionszugehörigkeit befragt.
  • Dann wurde der Anteil derer, die sich als Muslim*innen bezeichnen, auf alle eingewanderten Menschen aus dem jeweiligen Land hochgerechnet. Grundlage dafür sind die Daten des Mikrozensus 2019.
  • Für die Daten einiger LänderBangladesch, Jemen, Saudi-Arabien, VAE wurde auf das Ausländerzentralregister zurückgegriffen, welche daher Ungenauigkeiten aufweisen könnten. Die Studienautor*innen gehen aber nur von einer "minimalen Verzerrung" aus, da es sich um kleine Zahlen handele. 
  • Muslim*innen ohne Migrationshintergrund (z.B. Konvertit*innen) oder mit anderem Migrationshintergrund kommen in der Rechnung nicht vor.

Die Wissenschaftler*innen haben die Methode der Selbstbefragung gewählt, weil sie davon ausgehen, dass nicht alle Einwander*innen und ihre Nachkommen aus einem muslimisch geprägten Land auch tatsächlich selbst Muslim*innen sind. Beispielsweise bezeichnet sich nur die Hälfte der Menschen mit iranischem Migrationshintergrund als muslimisch. Über die Schwächen der statistischen Erfassung hat die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus 2013 eine Expertise für den MEDIENDIENST verfasst.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2021): "Muslimisches Leben in Deutschland"; Mediendienst Integration (2013): "Wer ist Muslim und wenn ja wie viele?"

Steigt die Zahl der Muslim*innen in Deutschland?

In einer Studie aus dem Jahr 2017 hat das Pew Research Center errechnet, dass sich die Zahl der Muslim*innen in Deutschland bis zum Jahr 2050 auf 6 bis 8,5 Millionen erhöhen könnte. Gründe dafür seien eine weitere Einwanderung und eine – im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen – etwas höhere Geburtenrate. Der Anteil der Muslim*innen an der deutschen Bevölkerung würde dann 8,7 bis 10,8 Prozent betragen. Expert*innen aus Deutschland halten diese Prognosen für realistisch. Das Pew Research Center geht auch davon aus, dass die Zahl der Muslim*innen in Europa in den kommenden Jahren zunehmen wird.QuellePew Research Center (2017): Europe's Growing Muslim Population, Mediendienst Integration (2017): Beim Wort 'Muslime' geht das Kopfkino an 

Konfessionen in Deutschland

Über 55 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gehören einer christlichen Kirche an (rund 45,7 Millionen Menschen). Circa 45 Prozent der Deutschen gehört anderen Konfessionen an oder ist konfessionslos. Bei einem Vergleich (siehe Grafik) muss jedoch beachtet werden, dass die Zahl der Mitglieder von Kirchen und Gemeinden mit der geschätzten Gesamtzahl von Muslim*innen in Deutschland ins Verhältnis gesetzt wird.QuelleBundesamt für Migration und Flüchtlinge (2021): "Muslimisches Leben in Deutschland", S. 37; 

Wie viele Muslime leben in Europa?

In EuropaNach Pew: Europäische Union mit Schweiz und Norwegen leben laut Pew Research Center rund 25,77 Millionen Muslim*innen. Damit machen Menschen muslimischen Glaubens rund 4,9 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.QuellePew Research Center (2017): Europe's Growing Muslim Population

Im europäischen Vergleich steht Deutschland in absoluten Zahlen an zweiter Stelle. Hier leben 5,3 bis 5,6 Millionen Muslim*innen (laut BAMF 2021) beziehungsweise 4,95 Millionen (laut Pew Research Center 2017). Nur in Frankreich leben laut Pew Research Center mit rund 5,7 Millionen mehr Muslim*innen als in Deutschland.QuelleBAMF (2021): "Muslimisches Leben in Deutschland", S. 9, Pew Research Center: 5 Facts about the Muslim population in Europe, 2017

Was den prozentualen Anteil von Muslim*innen an der Bevölkerung betrifft, liegt Deutschland im europäischen Mittelfeld. Musliminnen und Muslime haben hier einen Bevölkerungsanteil von 6,3 bis 6,7 Prozent laut BAMF 2021 beziehungsweise 6,1 Prozent laut Pew Research Center 2017. Andere west- und nordeuropäische Einwanderungsländer wie Frankreich, Schweden, Belgien, die Niederlande und Österreich weisen einen höheren Anteil von Muslim*innen an der Gesamtbevölkerung auf als Deutschland.Quelle Pew Research Center: 5 Facts about the Muslim population in Europe, 2017

Den größten Anteil von Muslim*innen an der Bevölkerung weisen traditionell muslimisch geprägte europäische Länder auf:

  • Kosovo (über 90 Prozent laut Pew)
  • Albanien (über 80 Prozent laut Pew, rund 59 Prozent laut Zensus 2011)
  • Bosnien und Herzegowina (rund 51 Prozent laut Zensus 2013, 45 Prozent laut Pew)Quelle Pew: The Future of World Religions. Kosovo. Albania. Bosnia and Herzegowina. Imis und BpB (2013): Länderreport Albanien. Agency for Statistics of Bosnia and Herzegovina (2016): Census of Population, Households and Dwellings in Bosnia and Herzegovina 2013. Final Results

Gefolgt werden sie von Ländern, die aus historischen Gründen große muslimische Minderheiten aufweisen:

  • Mazedonien (39,3 Prozent laut Pew)
  • Zypern (rund 25 Prozent laut Pew für die gesamte Insel)
  • Montenegro (18,7 Prozent laut Pew)
  • Bulgarien (10 Prozent laut Zensus 2011 bis 14 Prozent laut Pew)Quelle Pew: The Future of World Religions. Republic of Macedonia. Montenegro. Cyprus. Bulgaria. Pew Research Center (2017): 5 Facts about the Muslim population in Europe

Welchen Migrationshintergrund haben Muslime in Deutschland?

Eine Schätzung des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zeigt, dass die Zusammensetzung der Muslime mit MigrationshintergrundDie Schätzung des BAMF beruht auf der Studie "Muslimisches Leben", für die rund 5.000 Menschen mit Migrationshintergrund aus muslimisch geprägten Herkunftsländern, sowie ca. 11.000 Haushaltsangehörige indirekt nach ihrer Religionszugehörigkeit befragt wurden. Muslim*innen ohne Migrationshintergrund (z.B. Konvertit*innen) oder mit anderem Migrationshintergrund kommen in der Rechnung nicht vor. Weitere Informationen zu den Zahlen des BAMF gibt es hier. in Deutschland vielfältiger geworden ist:

  • Demnach hatten Ende 2019 rund 2,5 Millionen und damit weniger als die Hälfte (45,1 Prozent) der Muslim*innen in Deutschland ihre Wurzeln in der Türkei (Zum Vergleich: 2011 lag ihr Anteil noch bei 67,5 Prozent, 2015 bei 50,6 Prozent).
  • Muslim*innen aus dem Nahen Osten stellen mit knapp 1.050.000 Personen mittlerweile die zweitgrößte Herkunftsgruppe (19,2 Prozent).
  • An dritter Stelle folgen rund 1.046.000 Muslim*innen aus südosteuropäischen Herkunftsländern (19,2 Prozent).QuelleBAMF (2021): "Muslimisches Leben in Deutschland" S. 42

Wie viele Sunniten, Schiiten, Alewiten gibt es in Deutschland?

Für die repräsentative Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland" (2021) wurden Muslim*innen auch danach gefragt, welcher islamischen Glaubensrichtung sie sich zurechnen. Demnach bezeichnen sich fast drei Viertel als sunnitischeÜber 85 Prozent aller Muslim*innen weltweit sind Sunniten. Sie sind somit die größte Glaubensgemeinschaft im Islam. Sunniten erkennen die ersten vier Nachfolger Mohammeds als "rechtgeleitete Kalifen" an. Diese waren Gefährten des Propheten, aber nicht alle mit ihm verwandt. Muslim*innen. Rund 10 Prozent der Muslim*innen in Deutschland rechnen sich den AlevitenAleviten sind eine eigenständige Religionsgemeinschaft, die ihren Glauben als Yol (mystischer Weg) bezeichnet. Das Alevitentum hat sich aus vorislamischen, schiitischen und mystischen Elementen in Anatolien entwickelt, so dass unterschiedliche Verständnisse darüber exisiteren. zu, rund 4 Prozent den SchiitenMit einem geschätzen Anteil von 10 bis 15 Prozent stellen Schiiten weltweit die zweitgrößte Gruppierung der Muslim*innen dar. Ihre Entstehung geht auf den Nachfolestreit nach dem Tod des Propheten Mohammed zurück. Schiiten bestanden auf einen direkten Nachkommen des Propheten und folgen deshalb nur dem vierten der Kalifen, Ali ibn Abi Talib..QuelleBAMF (2021): Muslimisches Leben in Deutschland, S. 58

Die Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppierungen sind mal mehr, mal weniger deutlich. Gruppen können sich beispielsweise überschneiden. So kann man einer SufiSufismus ist ein Sammelbegriff für in Orden organisierte spirituelle Strömungen im Islam. Ihre Mitglieder, die Sufis, praktizieren regelmäßige Gebetsmeditationen. Der Sufismus entstand im mittelalterlichen Persien als Gegenbewegung zu einer immer stärkeren Ausrichtung des Islam am Gesetz.gemeinschaft angehören, die zugleich sunnitisch oder schiitisch ist.

Wie viele muslimische Frauen tragen ein Kopftuch?

Das Kopftuch ist in öffentlichen Debatten in Deutschland zu einem Symbol für den Islam geworden. Dabei trägt es nur eine Minderheit aller muslimischen Frauen in Deutschland, wie Studien zeigen:

  • 30 Prozent der muslimischen Frauen in Deutschland tragen ein Kopftuch, eine überwiegende Mehrheit von 70 Prozent trägt kein Kopftuch. Zu diesem Ergebnis kam die Untersuchung "Muslimisches Leben in Deutschland", die 2021 veröffentlicht wurde.QuelleBAMF (2021): Muslimisches Leben in Deutschland, Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, S. 117.
  • Unter den befragten Musliminnen über 16 Jahren gaben in einer vertiefenden Umfrage 62 Prozent an, nie ein Kopftuch zu tragen. 34 Prozent gaben an, immer ein Kopftuch zu tragen. Vier Prozent antworteten, sie trügen es "manchmal" oder "meistens".QuelleBAMF (2021): Muslimisches Leben in Deutschland, Studie im Auftrag der Deutschen Islam Konferenz, S. 119.
  • Bei türkeistämmigen muslimischen Frauen tragen laut einer repräsentative Befragung der Universität Münster 2016 rund 31 Prozent ein Kopftuch.QuellePollack; Müller; Rosta; Dieser, Anna (2016): Integration und Religion aus der Sicht von Türkeistämmigen in Deutschland.


Wie viele muslime gibt es weltweit 2022

Wovon hängt ab, ob sich Frauen für ein Kopftuch entscheiden?

  • Persönlicher Glaube: Wichtigster Faktor, sich für das Kopftuch zu entscheiden, ist laut der Studie "Muslimisches Leben in Deutschland" von 2021 der persönliche Glaube. 88,6 Prozent der Frauen, die ein Kopftuch tragen, betrachteten dies als ihre religiöse Pflicht. Erwartungen von anderen wurden nur selten als Motiv genannt (4,4 bis 4,6 Prozent). Mehrfachnennungen waren möglich. Von den stark gläubigen Musliminnen tragen rund 61 Prozent immer ein Kopftuch, rund 6 Prozent meistens oder manchmal. Rund ein Drittel der stark Gläubigen trägt nie ein Kopftuch in der Öffentlichkeit.QuelleBAMF (2021): Muslimisches Leben in Deutschland, S. 120f.
  • Alter und Migrationsgeschichte: Ältere Frauen tragen häufiger ein Kopftuch als jüngere Frauen und im Ausland geborene muslimische Frauen häufiger als muslimische Frauen, die in Deutschland geboren sind.QuelleBAMF (2021): Muslimisches Leben in Deutschland, S. 117f. und 119; Pollack; Müller; Rosta; Dieser (2016): Integration und Religion aus der Sicht von Türkeistämmigen in Deutschland, S. 15
  • Herkunftsland: Muslimische Frauen, die selbst oder deren Eltern aus Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten sowie der Türkei stammen, tragen häufiger ein Kopftuch als Frauen, die familiäre Bezüge nach Südosteuropa haben.QuelleBAMF (2021): Muslimisches Leben in Deutschland, S. 118 und 120
  • Konfession: Rund jede dritte sunnitischeÜber 85 Prozent aller Muslim*innen weltweit sind Sunniten. Sie folgen der Sunna, dem Weg des Propheten. Im Gegensatz zu Schiiten verehren Sunniten die ersten vier Nachfolger Mohammeds als "rechtsgeleitete Kalifen". Diese waren Gefährten Mohammeds, aber nicht alle mit ihm verwandt. und schiitische Frau trägt ein Kopftuch. Bei der Minderheit der Ahmadiyya sind es über die Hälfte (58,9 Prozent). Im Alevitentum ist es eher unüblich ein Kopftuch zu tragen, lediglich rund fünf Prozent der befragten Alevitinnen gaben an, ein Kopftuch zu tragen.QuelleBAMF (2021): Muslimisches Leben in Deutschland, S. 119

Die Studie zeigt auch, warum sich Frauen gegen ein Kopftuch entscheiden: 77 Prozent der befragten Frauen gaben an, dass sie das Kopftuch nicht als relevant für das Ausüben ihres Glaubens erachten. Als weitere Gründe haben Frauen, die manchmal oder nie ein Kopftuch tragen, die Angst vor Benachteiligung in der Schule, der Ausbildung oder am Arbeitsplatz genannt (35 Prozent). Befürchtungen vor Belästigung und Beschimpfungen wurden von 13 Prozent der Frauen als Grund gegen ein Kopftuch angegeben.QuelleBAMF (2021): Muslimisches Leben in Deutschland, S. 122.

Neben dem Kopftuch oder Hijab gibt es andere Schleier und Gewänder im Islam: Die Burka ist ein weites Gewand, das Gesicht und Körper vollständig bedeckt. Zum Sehen gibt es ein feinmaschiges Gitter. Sie ist vor allem in Afghanistan und Pakistan verbreitet. Der arabische Niqab ist ein Gesichtsschleier, der mit einem langen Gewand und einem Kopftuch kombiniert wird. Er lässt einen kleinen Seeschlitz frei. Burkas und Niqabs werden häufig in Diskussionen um Verschleierungsverbote in Deutschland genannt. Der Tschador ist ein schwarzer bodenlanger Umhang, der vor allem im Iran getragen wird. Er umhüllt Kopf und Körper, das Gesicht ist frei. Der Chimar ist ein Schleier bis zur Taille, der in verschiedenen Farben getragen wird.QuelleNdM-Glossar (2020) Musliminnen und Muslime; NDR Kultur (2017): "Die unterschiedlichen Arten der Verschleierung"

Bevölkerungsumfragen zum Kopftuch

Studien zeigen, dass viele Menschen in Deutschland das Kopftuch unterschiedlich beurteilen, je nachdem, um welchen Lebens- und Arbeitsbereich es geht.

Sollen muslimische Lehrerinnen ein Kopftuch tragen dürfen?

  • In einer 2018 veröffentlichten repräsentativen Umfrage des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR) lehnte eine Mehrheit der Befragten ein Kopftuch bei Lehrerinnen ab. Eine klare Mehrheit von 58 Prozent der Befragten ohne Migrationshintergrund äußerte sich ablehnend, aber auch Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie Befragte aus EU-Staaten waren mehrheitlich dagegen. Nur türkeistämmige Befragte und Einwanderinnen und Einwanderer aus anderen Nicht-EU-Staaten zeigten sich mehrheitlich dafür aufgeschlossen.QuelleSVR (2018): Integrationsbarometer 2018, S. 24.
  • Zu einem ähnlichen Ergebnis kam 2016 eine repräsentative Umfrage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS): 57 Prozent der Befragtenmit und ohne Migrationshintergrund sprachen sich gegen das Kopftuch bei Lehrerinnen aus. Die Ablehnung galt auch anderen religiösen Symbolen: 56 Prozent waren dagegen, dass Lehrer im Priestergewand unterrichten.QuelleStudie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2016): "Akzeptanz religiöser und weltanschaulicher Vielfalt in Deutschland", S. 12.
  • In der 2015 veröffentlichten Studie "Deutschland postmigrantisch II" des Berliner Instituts für empirische Integrations- und Migrationsforschung (BIM) zeigten sich Unterschiede zwischen den Generationen: Während 71 Prozent der 16- bis 25-Jährigen dafür waren, dass Lehrerinnen im Unterricht ein Kopftuch tragen dürfen, teilte von den älteren Befragten nur knapp jeder Zweite (48 Prozent) diese Haltung.QuelleStudie des BIM (2015): "Deutschland postmigrantisch II", S. 8.

Sollen muslimische Schülerinnen ein Kopftuch tragen dürfen?

  • In einer repräsentativen Untersuchung des DeZIM-Instituts aus dem Jahr 2019 lehnten knapp 63 Prozent der Befragten ein Kopftuchverbot von Schülerinnen in der Schule ab. Rund 37 Prozent sprachen sich "voll" oder "eher" für ein Verbot aus. Frauen lehnen laut der Studie häufiger als Männer ein Kopftuchverbot ab, Jugendliche häufiger als Erwachsene.QuelleDeZIM-Institut (2019: Wer befürwortet ein Kopftuchverbot in Deutschland?

Sollten Mitarbeiterinnen in Behörden ein Kopftuch tragen dürfen?

  • Im SVR-Integrationsbarometer von 2018 sprach sich eine knappe Mehrheit der Befragten dafür aus, muslimischen Mitarbeiterinnen in Behörden das Tragen eines Kopftuchs zu gestatten. Unter türkeistämmigen Männern und Frauen waren sogar drei Viertel dafür. Nur Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler waren mehrheitlich dagegen.QuelleSVR (2018): Integrationsbarometer 2018, S. 25

Wie wird das Tragen eines Kopftuchs in anderen Lebensbereichen beurteilt?

Dieser Frage ging eine Studie im Auftrag des baden-württembergischen Integrationsministeriums nach, die 2015 veröffentlicht wurde. 62 Prozent der Befragten äußerten demnach, es sei ihnen grundsätzlich "egal", ob muslimische Frauen in Deutschland Kopftücher tragen. Nur sechs Prozent fanden es "gut". Rund ein Drittel (31 Prozent) fand es "nicht gut".

  • Bei Ärztinnen fanden es 22 Prozent der Befragten "nicht gut" und 78 Prozent unproblematisch.
  • bei Erzieherinnen fanden es 37 Prozent "nicht gut".
  • bei Abgeordneten fanden es 46 Prozent "nicht gut".
  • Nachrichtensprecherinnen mit Kopftuch fanden die Hälfte "nicht gut" und nur fünf Prozent "gut". 45 Prozent war es "egal".QuelleMinisterium für Integration Baden-Württemberg (2015): "Toleranzgrenzen"

Kopftuchverbot

Im Staatsdienst:

Das Bundesverfassungsgericht hat 2015 ein generelles Kopftuchverbot für Lehrerinnen an öffentlichen Schulen für unzulässig erklärt, weil es dem Grundrecht auf Glaubensfreiheit widerspreche. Alle Bundesländer bis auf Berlin lassen das Kopftuch für Lehrerinnen seither grundsätzlich zu. Nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens seien Einschränkungen erlaubt, urteilten die Richter*innen in Karlsruhe.QuelleBundesverfassungsgericht (2015): Beschluss des Ersten Senats vom 27. Januar 2015

In mehreren Bundesländern unterrichten heute vereinzelt Lehrerinnen, die ein Kopftuch tragen.Quelle Wissenschaftliche Dienste Bundestag (2017): Zur Situation kopftuchtragender Lehrerinnen in ausgewählten Bundesländern. Dokumentation

In Hamburg, Rheinland-Pfalz, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg, Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern gab es nie ein Kopftuch-Verbot für Lehrerinnen und andere Beamtinnen. Andere Bundesländer haben seit 2015 ihre bis dahin geltenden Verbote für Lehrerinnen und andere Staatsbeamtinnen geändert oder legen bestehende Gesetze nun verfassungskonform aus.

Nur das Bundesland Berlin hält an seinem strikten Kopftuch-Verbot fest. Dem 2005 erlassenen "Neutralitätsgesetz" zufolge dürfen Lehrkräfte keine "sichtbaren religiösen und weltanschaulichen Symbole" wie das Kopftuch tragen. Dieses Verbot gilt auch für Beamtinnen und Beamte in der Rechtspflege, dem Justizvollzug und der Polizei. Es gilt aber nicht für den Religions- und Ethikunterricht sowie für private Schulen und Berufsschulen. Im August 2020 wurde dieses Verbot vom Bundesarbeitsgericht als "unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff" bezeichnet, der Entschädigungsanspruch der kopftuchtragenden Lehrerin wurde bestätigt. In Zukunft müsse der Schulfrieden konkret gefährdet sein, um ein Kopftuchverbot an Schulen durchsetzen zu können. Ein pauschales Verbot sei nicht rechtens.QuelleGesetz zu Artikel 29 der Verfassung von Berlin vom 27. Januar 2005 ; Pressemitteilung des Bundesarbeitsgerichts Nr. 28/2020 vom 27. August 2020

Im Februar 2020 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass ein Kopftuch für Rechtsreferendarinnen im Gerichtssaal rechtmäßig ist. Geklagt hatte eine muslimische Rechtsreferendarin, weil sie wegen ihres Kopftuches unter anderem nicht mit auf der Richterbank sitzen durfte. In den meisten Bundesländern dürfen Richterinnen, Staatsanwältinnen oder Referendarinnen bei ihren Amtshandlungen im Gerichtssaal kein Kopftuch tragen.QuellePressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 13/2020 vom 27. Feburar 2020

Pläne, auch Kindern an öffentlichen Schulen das Tragen eines Kopftuchs zu verbieten, hat die nordrhein-westfälische Landesregierung 2018 ins Spiel gebracht, aber dann ad acta gelegt. Wie viele Mädchen in Nordrhein-Westfalen ein Kopftuch tragen, ist ihr nicht bekannt.QuelleAntwort der nordrhein-westfälischen Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion. Drucksache 17 / 2669, 23.5.2018 

In der Privatwirtschaft:

Private Arbeitgeber, die ihren Angestellten verbieten, am Arbeitsplatz ein Kopftuch zu tragen, verstoßen gegen das Allgemeine Antidiskriminierungsgesetz. Gleiches gilt, wenn sie Bewerberinnen einen Ausbildungsplatz oder eine Stelle verwehren, weil sie ein Kopftuch tragen. Ein Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz aus sachlichen Gründen – etwa, wenn die Arbeit mit Maschinen durch das Tragen eines Kopftuchs zu gefährlich ist – ist aber zulässig.

Arbeitgeber*innen dürfen außerdem das Kopftuch am Arbeitsplatz verbieten, wenn sie zugleich das sichtbare Tragen jedes anderen politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens verbieten. Der Wunsch des Arbeitgebenden, Neutralität am Arbeitsplatz zu wahren und entsprechend von ihren Beschäftigten ein neutrales Auftreten einzufordern, kann das Verbot rechtfertigen. Das gilt aber nur für Tätigkeiten, die im weiteren Sinne für das Unternehmen repräsentativ sind. Das wurde in einem Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2017 klargestellt und in erneuten Urteilen 2021 und 2022 bestätigt. Arbeitgeber*innen müssen die Entscheidung individuell gut begründen – ein pauschales Kopftuchverbot ist nicht möglich.QuelleEuropäischer Gerichtshof (2017): Urteil vom 14. März 2017, Europäischer Gerichtshof (2021): Urteil vom 15. Juli 2021; Europäischer Gerichtshof: Urteil vom 13. Oktober 2022

In kirchlichen Einrichtungen:

Für kirchliche Einrichtungen gelten erhebliche Ausnahmen vom übrigen Arbeitsrecht. Sie dürfen ihren Mitarbeiterinnen deshalb ebenfalls das Tragen eines Kopftuchs untersagen. Das hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt 2014 entschieden.Quelle Bundesarbeitsgericht: Pressemitteilung Nr. 48/14 zum Urteil des 5. Senats vom 24.9.2014 

Die Deutsche Islam Konferenz

In der Deutschen Islam Konferenz (DIK) kamen erstmals staatliche Vertreter*innen mit verschiedenen islamischen Organisationen zusammen, um sich auf Bundesebene über eine gemeinsame Islampolitik zu verständigen. Das Gremium wurde 2006 vom damaligen Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble ins Leben gerufen, um den Austausch zwischen dem deutschen Staat und Muslim*innen zu fördern. Die DIK fässt keine allgemein verbindlichen Beschlüsse, sondern spricht Empfehlungen aus und schlägt konkrete Maßnahmen vor. Sie tagte bisher in unterschiedlichen Formen und BesetzungenInsbesondere die Zusammensetzung des Gremiums wird immer wieder kritisch hinterfragt. Islamische Verbände wie auch Wissenschaftler*innen bemängeln, dass die in der DIK vertretenen Personen und Verbände nicht stellvertretend für andere Muslim*innen sprechen können. in vier Phasen – jeweils parallel zu den Legislaturperioden. Ob die DIK in der aktuellen Legislatur in ihrer bisherigen Form bestehen bleibt, sei noch unklar, erklärte ein Sprecher des Innenministeriums Anfang Januar 2022.QuelleHür (2016): Zehn Jahre Deutsche Islamkonferenz: An der Realität vorbei.   

Die letzte Phase startete im November 2018 mit einer öffentlichen Auftaktveranstaltung in Berlin. Auf muslimischer Seite waren zehn islamische VerbändeDie Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ), die Alevitische Gemeinde Deutschland e.V. (AABF), die Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland e.V. (UIAZD), die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland e.V. (IGS), der Islamrat für die Bundesrepublik Deutschland e.V. (IRD), die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib), der Verband der islamischen Kulturzentren e.V. (VIKZ), das Bündnis Maliktische Gemeinde Deutschland e.V., Liberal-Islamischer Bund e.V. und der Zentralrat der Muslime in Deutschland e.V. (ZMD) sowie ausgewählte Einzelpersonen eingeladen. Anders als in den vorherigen Phasen gab es in der letzten Form der DIK keine festen Gremien und Mitgliedschaften mehr, wie Innnenminister Horst Seehofer vorab erklärte hatte. Dafür gab es anlassbezogene Veranstaltungen. Im Fokus standen dabei Fragen der Imam-Ausbildung sowie Förderprogramme für Moscheen.QuelleDIK-Redaktion (2018): Deutsche Islam Konferenz startet mit Auftaktveranstaltung; BMI (2018): Auftaktveranstaltung Deutsche Islam Konferenz: Muslime in Deutschland - deutsche Muslime; DIK-Redaktion (2018): Die Deutsche Islam Konferenz wird fortgeführt; DIK-Redaktion (2020): Runder Tisch zur Ausbildung von religiösem Personal islamischer Gemeinden; DIK-Redaktion (2019): Neuer DIK-Förderansatz "Moscheen für Integration" startete in Berlin. 

Zum Start der letzten DIK-Phase hat die Islamwissenschaftlerin Riem Spielhaus in einem Gastbeitrag für den MEDIENDIENST erklärt, was das Gremium in den vergangenen Jahren geleistet hat.

An der ersten Phase der DIK nahmen die fünf großen islamischen DachverbändeDer Islamrat (IRD), der Zentralrat der Muslime (ZMD), die Türkische Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ) und die alevitische Gemeinde (AABF) sowie zehn ausgewählte Einzelpersonen teil. Schwerpunktthemen waren unter anderem Religion und Verfassung und das Islambild in den Medien. In der zweiten Phase kam die Türkische Gemeinde Deutschland (TGD) als säkuläre Migrantenorganisation zur DIK hinzu. Im Zentrum standen die Themen Geschlechtergerechtigkeit und Extremismusprävention. Während der dritten Phase waren zehn islamische VerbändeDie Ahmadiyya Muslim Jamaat (AMJ), die Alevitische Gemeinde (AABF), die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD), die Islamische Gemeinschaft der schiitischen Gemeinden in Deutschland (IGS), der Islamrat (IRD), die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Ditib), Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD), der Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ), der Zentralrat der Marokkaner in Deutschland (ZRMD), und der Zentralrat der Muslime (ZMD) an der DIK beteiligt. Die Themen islamische Seelsorge und Wohlfahrtspflege standen im Vordergrund.QuelleDIK 2006-2009, 2009-2013, 2014-2017.

Die Arbeitsgruppen der DIK haben im Laufe der Jahre mehrere Studien in Auftrag gegeben. Dazu gehören zum Beispiel die Untersuchungen „Muslimisches Leben in Deutschland“ (2021, 2009), "Lebenswelten junger Muslime" (2011) oder „Islamisches Gemeindeleben in Deutschland“ (2012), "Soziale Dienstleistungen in Moscheegemeinden" (2015) und "Altenpflege für Muslime" (2017). Weitere Dokumente der DIK finden Sie hier.

In einem Zeitstrahl haben wir zentrale Ereignisse und Themen von 15 Jahren DIK zusammengefasst:

Antimuslimischer Rassismus

"Antimuslimischer Rassismus" steht für die pauschale Abwertung und Diskriminierung von Menschen, die als Muslim*innen wahrgenommen werden. Verwandte und synonyme Begriffe sind "Muslimfeindlichkeit, "Islamfeindlichkeit" oder "Islamophobie".QuelleMEDIENDIENST INTEGRATION (2016): "Was unterscheidet 'Islamfeindlichkeit' von 'Islamophobie'?"

Weitere Zahlen und Fakten zum Thema Antimuslimischer Rassismus bietet ein Informationspapier, das der MEDIENDIENST im März 2021 zusammengestellt hat.

Antimuslimische Einstellungen

Mehrere repräsentative Untersuchungen zeigen: Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber Muslim*innen und "dem Islam" sind weit verbreitet. 

  • Knapp die Hälfte (46,8 Prozent) der Menschen in Deutschland stimmt der Aussage zu, "durch die vielen Muslime hier fühle ich mich manchmal wie ein Fremder im eigenen Land". Das ist ein Ergebnis der Leipziger Autoritarismus-Studie von 2020. Mehr als ein Viertel (27,4 Prozent) der Befragten vertritt zudem die Meinung, man solle Muslim*innen die Zuwanderung untersagen. In Ostdeutschland sind es sogar rund 40 Prozent.QuelleDecker, O./Brähler, E. (Gh.) (2020): "Autoritäre Dynamiken. Neue Radikalität - alte Ressentiments", Leipziger Autoritarismus-Studie, S. 64
  • Mehr als die Hälfte (52 Prozent) der Befragten in Deutschland empfindet den Islam als bedrohlich. Das geht aus dem „Religionsmonitor“ der Bertelsmann-Stiftung 2019 hervor. 13 Prozent der Befragten wollen Muslim*innen die Zuwanderung untersagen (11 Prozent im Westen, 20 Prozent im Osten). 2017 waren es noch 20 Prozent. Damals gaben zudem mehr als 40 Prozent der Befragten an, sie hätten etwas dagegen, wenn ein Muslim oder eine Muslimin in die Familie einheiraten würde.QuelleBertelsmann Religionsmonitor (2019): Pickel, Gert: Weltanschauliche Vielfalt und Demokratie, S. 13, S. 77 f.
  • Jede*r Zweite*r ist der Auffassung, der Islam passe nicht in die deutsche Gesellschaft. Das ergab eine Umfrage der Evangelischen Kirche im Jahr 2018. Rund 45 Prozent der Befragten erklärten, sie hätten etwas gegen eine*n muslimische*n Bürgermeister*in in ihrer Gemeinde.QuelleSozialwissenschaftliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (2018): "Islam und Muslim*innen in Deutschland: Die Sicht der Bevölkerung. Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage", S. 4
  • Wer Muslim*innen persönlich kennt, neigt eher dazu, eine positive Meinung über sie zu haben. Das geht aus einer 2018 veröffentlichten Umfrage des Pew Research Center aus den USA hervor. Die "Kontakthypothese", wonach persönliche Kontakte gegen Vorurteile helfen, wird auch durch hiesige Studien gestützt.QuellePew Research Center (2018): "In Western Europe, familiarity with Muslims is linked to positive views of Muslims and Islam"; Sozialwissenschaftliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (2018): "Islam und Muslim*innen in Deutschland: Die Sicht der Bevölkerung. Ergebnisse einer bundesweiten Umfrage, S. 11

Diskriminierungserfahrungen von Muslim*innen

Muslim*innen sind häufig von Mehrfachdiskriminierungen betroffen. Das heißt, dass sie sowohl wegen ihrer Religion als auch etwa ihrer Herkunft, Hautfarbe oder ihres Geschlechts diskriminiert werden. Zahlen zur Diskriminierung von Muslim*innen findet man hauptsächlich in Studien zur Diskriminierung von Migrant*innen oder Menschen mit Migrationshintergrund, die auch die Religionszugehörigkeit erfassen.QuelleAntidiskriminiserungsstelle des Bundes (2010): Diskriminierung aufgrund der islamischen Religionszugehörigkeit im Kontext Arbeitsleben - Erkenntnisse, Fragen und Handlungsempfehlungen, S. 13ff.

  • Besonders häufig erleben Muslim*innen Diskriminierung bei der Arbeitssuche. Laut einer Studie des WZB Berlin 2018 bekommen Muslim*innen deutlich weniger positive Rückmeldungen auf ihre Bewerbungen als andere Bewerber*innen. Eine Studie des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit (IZA) von 2016 zeigte, dass besonders Frauen mit einem türkisch klingenden Namen benachteiligt werden, die ein Kopftuch tragen.QuelleKoopmans, R.; Veit, S., Yemane, R. (2018): "Ethnische Hierarchien in der Bewerberauswahl: Ein Feldexperiment zu den Ursachen von Arbeitsmarktdiskriminierung". Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB), Discussion Paper SP VI 2018-104, S. 23f.; Weichselbaumer, D. (2016): "Discrimination against Female Migrants wearing Headscarves." IZA Discussion Paper 10217, S. 12.
  • Zwischen 2006 und 2020 haben sich 719 Personen an die Beratung der Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt, die sich wegen ihrer muslimischen Religionszugehörigkeit benachteiligt fühlten. Rund die Hälfte von ihnen (350) berichtete von Diskriminierungen im Bereich ArbeitBeispielsweise beim Zugang zur Beschäftigung oder bei Kündigungen. Darauf folgten Diskriminierungserfahrungen bei Dienstleisteungen (u.a. Wohnungsmarkt & Bankgeschäfte) (132) sowie im Bereich Bildung (69). QuelleBundestagsdrucksache 19/17069: "Antimuslimischer Rassismus und Diskriminierung von Muslimen in Deutschland", S. 21.
  • In einer Studie der European Union Agency for Fundamental Rights (FRA) 2018 gab ein Drittel der Befragten an, Diskriminierung bei der Arbeitsplatzsuche erfahren zu haben, da sie sichtbare religiöse Symbole getragen haben. Ein Viertel erlebte Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft beziehungsweise der Migrationsgeschichte. Jede*r zehnte Befragte wandte sich nach einem Vorfall an die Polizei.QuelleEuropean Union Agency for Fundamental Rights (2018): "Zweite Erhebung der Europäischen Union zu Minderheiten und Diskriminierung. Muslimas und Muslime – ausgewählte Ergebnisse", S. 11.

Antimuslimische Straftaten

2021 zählte das Bundesinnenministerium (BMI) bundesweit 732 islamfeindliche Straftaten, etwa 80 Prozent davon waren rechts motiviert. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der islamfeindlichen Straftaten um rund 29 Prozent zurückgegangen. 2020 erfasste das BMI 1.026 Delikte.QuelleBundesinnenministerium (2022): "Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2021", S. 11; (2021): "Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2020", S. 8

Zu islamfeindlichen Straftaten gehören Angriffe auf Moscheen. 2021 erfasste das BMI 54 Moscheeangriffe, darunter vor allem Sachbeschädigungen und Volksverhetzungen. Knapp die Hälfte der Delikte waren rechts motiviert. 2020 zählte das BMI 103 Moscheeangriffe. Für eine bundesweit einheitliche Erfassung der Angriffe nutzen die Behörden seit 2019 einen Angriffszielkatalog. Davor haben Bund und Länder die Fallzahlen nicht untereinander abgeglichen, die Zahlen vor 2019 können deshalb unvollständig sein.QuelleBundesinnenministerium (2022): "Politisch motivierte Kriminalität 2021", S. 19; (2021): "Politisch motivierte Kriminalität 2020", S. 15; BMI auf Anfrage des MEDIENDIENSTES im Februar 2021; Bundestags-Drucksache 19/17069, S. 13

Nicht alle Straftaten werden angezeigt oder von den Behörden als islamfeindlich erkannt. Islamische Organisationen kamen in den vergangenen Jahren teils zu deutlich höheren Zahlen als das Bundesinnenministerium. Die Organisation FAIR InternationalFAIR steht für "Federation Against Injustice And Racism" und steht der Organisation der "Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş" (IGMG) nahe. etwa dokumentiert Angriffe auf Moscheen auf der Webseite #brandeilig. 2021 hat die Organisation 63 Übergriffe erfasst. Für 2020 kommt sie auf 148 Übergriffe. Der islamische Dachverband DITIB erfasste 2016 in einer eigenen Erhebung 115 Angriffe auf Moscheen.QuelleTürkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (Hrsg., 2017): "Moscheeübergriffe in Deutschland 2016. Ein Bericht der DITIB-Antirassismus- und Antidiskriminierungsstelle", S. 8; #brandeilig: Timeline 2021, 2020 (Stand: 27. Juli 2022); FAIR International (2019): Pressemitteilung "Beinahe 90 Übergriffe auf Moscheen im Jahr 2018"

Beratungsstellen für Betroffene

Es gibt kaum BeratungsstellenEine Liste mit Ansprechpartner*innen hat CLAIM zusammengestellt, eine interaktive Karte mit Beratungstellen in allen Bundesländern bietet der Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt., die sich direkt an Betroffene von antimuslimischem Rassismus und Islamfeindlichkeit richten. Das geht aus einer 2021 veröffentlichten Kurzstudie der Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit CLAIM hervor. Sie zeigt auch, dass die Hälfte der insgesamt 79 befragten Organisationen kein Verfahren hat, um antimuslimischen Rassismus zu erfassen. Zwar geben die meisten Stellen an, dass ihr Beratungsteam zum Themenfeld ausreichend qualifiziert sei. Die Studienautorinnen schätzen das als nicht ausreichend ein und fordern mehr auf antimuslimischen Rassismus spezialisierte Beratungs- und Personalstellen in den Bundesländern.QuelleCLAIM - Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit (2020):"Beratungsangebote für Betroffene von antimuslimischem Rassismus, S. 17, 42

Wie viele Moscheen gibt es in Deutschland?

Laut einer Studie aus dem Jahr 2012 gibt es etwa 2.350 islamische Gebetsräume und Moscheen in Deutschland. Andere Schätzungen gehen von bis zu 2.750 Moscheen und Gebetsräumen aus. Dabei werden manchmal nur Moscheen und Gebetsräume gezählt, in denen Freitagspredigten gehalten werden, und manchmal auch alevitische Gemeinden mitgezählt, die ihre Gottesdienste („Cem“) in als „Cem-Evi“ bezeichneten Gemeindehäusern abhalten.Quelle Halm, D. & Sauer, M. (2012): Islamisches Gemeindeleben in Deutschland, S. 58; Knoblauch, E. & Knuth, H. (2016): Das ist eine Moschee. In: Die ZEIT Nr. 30 / 2016.

Die meisten islamischen Gemeinden in Deutschland betreiben ihre Gebetsräume in ehemaligen Fabriken, Wohnhäusern und Ladengeschäften. Diese Einrichtungen werden häufig als Hinterhofmoscheen bezeichnet. Darüber hinaus sind in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten viele neue Moscheebauten entstanden, die mit Minarett oft schon von außen als solche erkennbar sind.QuelleBeinhauer-Köhler, Barbara und Leggewie, Claus (2009): Moscheen in Deutschland: Religiöse Heimat und gesellschaftliche Herausforderung

Der Stil vieler dieser Moscheebauten lehnt sich an Bautraditionen aus den HerkunftsländernIm osmanischen Baustil wurde etwa 2005 die Şehitlik-Moschee in Berlin-Neukölln und die 2008 eröffnete Merkez-Moschee in Duisburg-Marxloh (beide DITIB) errichtet. der Gemeindemitglieder an. Daneben entstanden aber auch einige innovative Moscheebauten, die sich in einer modernen Architektur um möglichst große Transparenz und Offenheit bemühen – so zum Beispiel das 2005 eröffnete „Islamische Forum“ im bayrischen Ort Penzberg mit einer Glasfassade und einem kunstvoll aus Stahlplatten gefertigten Minarett oder die DITIB-Zentralmoschee in Köln, die hauptsächlich vom Kirchenarchitekten Paul Böhm entworfen wurde.

Andere Moscheen lehnen sich an ortsübliche Baustile an – etwa die Moschee im schleswig-holsteinischen Rendsburg, die aus gelbem und weißem Backstein besteht und damit Elemente norddeutscher Backsteinarchitektur aufnimmt. Zudem gibt es immer mehr "Öko-Moscheen", die Photovoltaik-Anlagen auf ihrem Dach montiert haben, um eigenen Strom zu erzeugen. In Norderstedt errichtet eine türkisch-islamische Gemeinde derzeit eine Moschee mit zwei 21 Meter hohen Minaretten, die als kleine Windkraftanlagen dienen sollen.QuelleWelzbacher, Christian (2017): Europas Moscheen. Islamische Architektur im Aufbruch

Finanzierung von Moscheen in Deutschland

Islamische Organisationen erklären in der Regel, dass sie sich primär durch Mitgliedsbeiträge und Spenden von Moscheebesuchern finanzieren. Hinzu kommen Einkünfte durch Vermietungen und Dienstleistungen oder Erlöse aus dem Verkauf in vereinseigenen Läden, die zur Moschee gehören. Große islamische Dachverbände wie die Islamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) erzielen durch die Organisation von Pilgerreisen oder durch ihre Buch- und Zeitschriftenverlage zusätzliche Einnahmen. Islamische Organisationen sind mehrheitlich als gemeinnützige Vereine eingetragen und deshalb verpflichtet, ihre Buchhaltung regelmäßig vorzulegen.QuelleDeutscher Bundestag. Wissenschaftliche Dienste (2018): Finanzierung von Moscheen bzw. "Moscheevereinen".

Finanzierung aus dem Ausland

Die Frage, ob und wie viel Geld aus dem Ausland an deutsche Moscheegemeinden fließt, sorgt immer wieder für Diskussionen. Verlässliche Zahlen dazu gibt es aber nicht. Bekannt ist, dass einzelne Moscheebauten in Deutschland durch größere Spenden aus dem AuslandDie Berliner Khadija-Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde wurde mit Spendengeldern weiblicher Ahmadiyya-Mitglieder aus der ganzen Welt finanziert. Ein weiteres Beispiel ist die Al-Nour-Moschee in Hamburg: Sie erhielt laut Medienberichten eine Spende von 1,1 Millionen Euro vom Staat Kuwait für den Umbau der ehemaligen Kapernaum-Kirche. ermöglicht wurden. So wurde die für ihre moderne Architektur bekannte Moschee im bayrischen Penzberg vom Emir des Golfstaats Schardscha bezahlt. Manche Moscheevorstände werben im Ausland, etwa am arabischen Golf, um größere Summen, um laufende Ausgaben oder Großprojekte wie einen Moscheebau finanzieren zu können. Aus einmaligen Spenden lassen sich jedoch noch keine generellen Rückschlüsse auf eine Einflussnahme aus dem Ausland ziehen, sagen Fachleute.Quelle Deutscher Bundestag. Wissenschaftliche Dienste (2017): Ausländische Finanzierung des Islam in Deutschland. Kurzinformation.

Es gibt aber auch indirekte Formen der Finanzierung aus dem Ausland. So zahlt beispielsweise die türkische Religionsbehörde Diyanet die Gehälter der Imame, die in den fast 1.000 DITIB-Moscheen in Deutschland predigen. Nahezu alle Gemeinden des türkisch-islamischen Dachverbands DITIB sowie einiger anderer VerbändeIslamische Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) und Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (ATIB) nehmen die Dienste dieser Imame, die aus der Türkei entsandt und bezahlt werden, in Anspruch.QuelleJacobs, A. & Lipowsky, J. (2019): Imame – made in Europe? Konrad Adenauer Stiftung, S.3.

Viele Moscheegemeinden greifen auf eine dieser Formen der Unterstützung aus dem Ausland zurück, um ihre Imame und Seelsorger oder ihre Moscheebauten und ihren Koranunterricht zu finanzieren. Viele soziale Aufgaben wie Jugend- und Seniorenarbeit, Beratungstätigkeit und Flüchtlingshilfe werden von ehrenamtlichen Helfern übernommen.QuelleHalm, D. & Sauer, M. (2015): Soziale Dienstleistungen der in der Deutschen Islam Konferenz vertretenen religiösen Dachverbände und ihrer Gemeinden.

Anders als Kirchen oder jüdische Gemeinden, werden Moscheegemeinden dabei bisher nicht finanziell vom Staat unterstützt.QuelleDeutscher Bundestag. Wissenschaftliche Dienste (2018): Finanzierung von Moscheen bzw. "Moscheevereinen".

Was spricht gegen eine "Moschee-Steuer"?

Immer wieder wird die Idee einer „Moschee-Steuer" ins Gespräch gebracht. Auf muslimischer Seite stießen solche Vorschläge bislang aber eher auf Skepsis. Manche argumentieren, eine zentral erhobene Steuer widerspreche sowohl dem muslimischen Selbstverständnis als auch der gegenwärtigen Organisationsform des Islams in Deutschland. Moscheegemeinden, die sich vom Druck zentralistisch geführter Dachverbände lösen wollen, fürchten außerdem Gängelung und Missmanagement durch die Zentralen, sollten diese über die Verwendung einer solchen „Moscheesteuer“ verfügen. Aber auch die großen islamischen Organisationen zeigen bisher wenig Interesse an einer „Moschee-Steuer“. Das gilt selbst für die der Ahmadiyya-Gemeinde, die etwa in Hessen als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist und damit beanspruchen könnte, dass der Staat für sie ihre Mitgliedsbeiträge über eine Steuer einzieht.QuelleFriedrich-Ebert-Stiftung. Forum Berlin (2018): Die Finanzierung muslimischer Organisationen in Deutschland. 

Imamausbildung in Deutschland

Die meisten Imame werden im Ausland ausgebildet

In Deutschland arbeiten schätzungsweise 2.000 bis zu 2.500 Imame. Einer Untersuchung der Konrad-Adenauer-Stiftung zufolge wurden rund 90 Prozent der Imame im Ausland ausgebildet. Die türkische Religionsbehörde DiyanetDie Diyanet ist die türkische Religionsbehörde und entsendet u.a. Imame nach Deutschland. entsendet etwa Imame im Rotationssystem nach Deutschland.QuelleAkademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (2019): "Imamausbildung in Deutschland. Perspektiven aus Gemeinden und Theologie", S. 10; BAMF (2012): "Islamisches Gemeindeleben in Deutschland", S.244ff; Andreas Jacobs, Janosch Lipowsky (2019): „Imame – Made in Europe? Ausbildung und Beschäftigung von islamischen Geistlichen in Deutschland und Frankreich“, KAS S. 3 

Alle Informationen zur Imamausbildung finden Sie in unserem Factsheet: >>> zum Download

Das steht immer wieder in der Kritik. Fachleute befürchten, dass andere Staaten dadurch Einfluss auf deutsche Moscheegemeinden oder Verbände nehmen könnten. Zudem sei zu bedenken, dass einige Imame ausschließlich in ihrer Muttersprache predigen und nur schlecht mit deutschsprachigen Moscheebesucher*innen, insbesondere jüngeren Muslim*innen, kommunizieren können.QuelleZur finanziellen Unterstützung der Ditib durch die Diyanet: Bekir Alboğa (2018): "Finanizerung muslimischer Organisationen in Deutschland, Finanzierung religiöser und sozialer Dienste der DITIB" (S.34-39); die Einflussnahme durch die Ditib ist immer wieder Gegenstand im Bundestag: Antwort der Bundesregierung "Aktivitäten und Einflussnahme türkischer staatlicher Stellen in Deutschland" 2020; ferner: Seda Serdar (2019): "Imame made in Germany"; Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft (2019): "Imamausbildung in Deutschland. Perspektiven aus Gemeinden und Theologie", S.17-18

Welche Ausbildungsprogramme gibt es in Deutschland?

Mehrere islamische Dachverbände bilden in Deutschland eigenes religiöses Personal aus, unterrichtet wird größtenteils in anderen Sprachen. Der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) etwa bietet ein vierjähriges Ausbildungsprogramm in Köln an, unterrichtet wird in arabischer und türkischer Sprache. Eine Übersicht zu den Ausbildungsangeboten der islamischen Gemeinden bietet die Deutsche Islam Konferenz (DIK) und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF).QuelleBAMF (2020): „Bestandserhebung zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden“, S. 12; siehe dazu auch Rauf Ceylan, Andreas Jacobs (2018): „Islam als Beruf. Beschäftigungsperspektiven für Absolventen der Studiengänge ‚Islamische Theologie‘ in Deutschland“, KAS, S. 7

Anfang 2020 eröffnete die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V. (Ditib) ein eigenes Kolleg zur Ausbildung von Imamen in Dahlem (Eifel). Absolvent*innen eines islamisch-theologischen Studiums können hier eine zweijährige, praktische Ausbildung machen, die sie auf die Gemeindearbeit vorbereitet. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CDU) begrüßte das Programm.QuelleDITIB-Kolleg: Yuriko Wahl-Immel (2020): "Neues Ausbildungszentrum - Ditib-Imame aus der Eifel"; BMI (2020): “Bundesinnenminister Seehofer zieht positive Zwischenbilanz: ‚Deutsche Islam Konferenz trägt dazu bei, dass mehr Angebote der Imamausbildung in Deutschland und in deutscher Sprache geschaffen werden“, Pressemitteilung; Vgl. Jan Ehlert (2019): „Die Imamausbildung der DITIB ist keine Lösung“, NDR Kultur; Moritz Küpper (2019): „Imame sollen in Deutschland und auf Deutsch ausgebildet werden“, Deutschlandfunk Kultur; Judith Luig (2020): „Die zukünftigen Imame werden indoktriniert“, Zeit Online

Im Juni 2021 startet die erste verbandsübergreifende, deutschsprachige Imamausbildung am "Islamkolleg Deutschland" in Osnabrück. Das Kolleg ist Teil eines Modellprojekts der Universität Osnabrück in Kooperation mit mehreren islamischen OrganisationenDazu gehören das Bündnis Malikitischer Gemeinden, die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland, der Zentralrat der Marokkaner in Deutschland, der Zentralrat der Muslime in Deutschland sowie Muslime in Niedersachsen.. Neben Gemeindepädagogik und Seelsorge sollen hier auch Soziale Arbeit und Politische Bildung Teil der Ausbildung sein. Voraussetzung ist ein Bachelorabschluss in Islamischer Theologie oder einem verwandten Studienfach. In einer ersten Phase finanzieren das Land Niedersachsen sowie das Bundesinnenministerium das Projekt. Das sehen einige größere islamische Verbände, die nicht am Projekt beteiligt sind, kritisch. Sie befürchten, dass dort eine Art "Staatsislam" vermittelt wird.QuelleDIK (2020): "Bestandserhebung zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden"; Islamkolleg: Hilde Weeg (2020): "Von Modellprojekt an Uni Osnabrück Imam-Ausbildung in Niedersachsen"; Islamkolleg Deutschland e.V. (2020); Rede des Bundesinnenministers zur Ausbildung religiösen Personals islamischer Gemeinden auf der Deutschen Islam Konferenz, 2020;: IslamiQ (2019): "Muslime kritisieren geplantes 'Islamkolleg'"

Was macht ein Imam?
Imame leiten die Pflichtgebete und das Freitagsgebet in islamischen Gemeinden an. Weitere Aufgaben sind die praktische Gemeindearbeit wie Seelsorge oder religiöser Unterricht. Ein Imam ist kein geweihter Amtsträger wie etwa ein Priester. In kleineren Gemeinden übernehmen oft Freiwillige die Aufgaben. In größeren Gemeinden arbeitet meistens ein professioneller Imam, der eine Ausbildung absolviert hat und fest angestellt ist.

Wer kann Imam werden?
Welche Voraussetzung man als Imam braucht, bestimmen in Deutschland die Gemeinden, zum Beispiel ein abgeschlossenes Studium der islamischen Theologie und eine praktische Ausbildung. Die Ausbildung zum Imam ist aber nicht zwingend eine akademische, sie unterscheidet sich je nach Land und Ausbildungsprogramm.

Gibt es Imaminnen?
Frauen können als Imamin arbeiten, es gibt jedoch wenige praktizierende Imaminnen in Deutschland. Die Ditib etwa beschäftigt Imaminnen, sie predigen jedoch nicht und sind eher auf die Gemeindearbeit mit Frauen fokussiert. In einigen wenigen liberalen Gemeinden leiten auch Frauen die Gebete an, in Deutschland etwa Seyran Ateş. Es handelt sich aber um Ausnahmen.Quellesiehe Rauf Ceylan (2019): "Imamausbildung in Deutschland. Perspektiven aus Gemeinden und Theologie", AIWG; Melanie Kamp (2007): "Mehr als Vorbeter: Zur Herkunft und Rolle von Imamen in Moscheevereinen", Heinrich-Böll-Stiftung; Die Zeit (2017): "Wir Imaminnen folgen dem Propheten Mohammed"; Ulrike Hummel (2008): "Der Ruf der Muezzinin: Weibliche Imame in Deutschland"; Nihat Halici (2006): "Frauen predigen den Islam"; Theresa Weiss (2018): "Gegen Kinderkopftuch, für Vielfalt"; Encyclopedia of Islam (2020): Lemma Imam

Islamischer Religionsunterricht in Deutschland

In neun Bundesländer gibt es an öffentlichen Schulen einen islamischen Religionsunterricht. Das geht aus einer Recherche des MEDIENDIENSTES hervor. Dabei gibt es unterschiedliche Modelle: 

  • In Hessen und Niedersachsen wird ein bekenntnisorientierter islamischer Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetz Art. 7 Absatz 3 in Kooperation mit islamischen VerbändenIn Hessen sind das derzeit der hessische Landesverband der Ditib und die Ahmadiyya-Gemeinde. Ende April 2020 entschied die hessische Landesregierung die Kooperation mit dem Ditib-Verband wegen seiner Nähe zum türkischen Staat ab dem Schuljahr 2020/21 auszusetzen. In Niedersachsen bilden Ditib Nord und Schura Niedersachsen einen gemeinsamen Beirat, der die Lehrerlaubnis (Idschaza) für den islamischen Religionsunterricht erteilt. angeboten. Die Lehrpläne werden dabei von den Religionsgemeinschaften und staatlichen Stellen gemeinsam entwickelt. In Hessen wird ab dem Schuljahr 2019/20 das Fach "Islamunterricht" in staatlicher Verantwortung ab der siebten Klasse erprobt. Im Schuljahr 2020/21 soll das Modellprojekt erweitert werden.QuelleHessisches Kultusministerium (2020): "Islamischer Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit DITIB Hessen wird ab dem kommenden Schuljahr nicht mehr erteilt"
  • In Berlin wird islamischer Religionsunterricht in alleiniger Verantwortung eines islamischen LandesverbandsDie "Islamische Föderation Berlin" (IFB) hat sich 2001 das Recht erstritten, an Berliner Schulen islamischen Religionsunterricht zu erteilen. Die IFB wird als Berliner Landesverband der "Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs" (IGMG) wahrgenommen, die im Islamrat vertreten ist. erteilt.
  • Rheinland-Pfalz und das Saarland erproben islamischen Religionsunterricht in Modellprojekten. Islamische Verbände oder lokale Moscheegemeinden werden dabei auf unterschiedliche Weise einbezogenRheinland-Pfalz kooperiert mit dem Christlich-Islamischen Gesprächskreis Ludwigshafen (CiG), der Islamischen Frauenbildungsstätte Ludwigshafen (IGRA), dem Arbeitskreis Mainzer Muslime (AKMM) und dem Elternverein Worms und Umgebung. Das Saarland arbeitet mit dem Ditib Landesverband, der Islamischen Gemeinde Saar (IGS), dem Verband der islamischen Kulturzentren (VIKZ), der Islamischen Gemeinschaft Milli görüs (IGMG), dem Bosnischen Kulturzentrum Saarbrücken und der Bosnischen Moscheegemeinde Saarbrücken..
  • In Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg wird islamischer Religionsunterricht in Zusammenarbeit mit islamischen Partnern angeboten. Nordrhein-Westfalen hat dafür im Mai 2021 eine ständige KommissionBisher hat ein Beirat den islamischen Religionsunterricht in NRW organisiert. In ihm waren zur Hälfte Vertreter*innen, die das Schulministerium in NRW ernennt, und zur Hälfte Entsandte der islamischen Verbände vertreten. eingerichtet, in der sechs islamische VerbändeBündnis Marokkanische Gemeinde (BMG), Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB), Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD), Islamische Religionsgemeinschaft NRW (IRG NRW), Union der Islamisch-Albanischen Zentren in Deutschland (UIAZD), Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) vertreten sind. In Baden-Württemberg wurde 2019 unter dem Dach des Landes eine StiftungDer Landesverband der Islamischen Kulturzentren Baden-Württemberg und die Islamische Gemeinschaft der Bosniaken in Deutschland (IGBD) sind darin eingebunden. Ditib und die Islamische Glaubensgemeinschaft Baden-Württemberg (IGBW) lehnen eine Mitarbeit ab. gegründet.QuelleMinisterium für Schule und Bildung in NRW (2021): "Neue Kommission nimmt ihre Arbeit auf"; Sunnitischer Schulrat (2020): "Stiftung Sunnitischer Schulrat"
  • In Bayern und Schleswig-Holstein wird das Fach "Islamkunde" in staatlicher Verantwortung angeboten. Bayern hat das Fach seit 2009 als Modellprojekt erprobt. Ab dem Schuljahr 2021/2022 wird es als Wahlpflichtfach angeboten (Stand Juli 2021).QuelleBayrisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus (2021): "Bayern führt Wahlpflichtfach 'islamischer Unterricht' ein"

In sieben Bundesländern gibt es keinen islamischen Religionsunterricht. 

  • In Hamburg und Bremen wird ein konfessionsübergreifender Religionsunterricht angeboten, an dem Schüler*innen aller Glaubensrichtungen teilnehmen können. In Hamburg verantwortet die evangelische Nordkirche den "Religionsunterricht für alle". Künftig will ihn das Land interreligiös – mit gleichberechtigter Beteiligung verschiedener Religionsgemeinschaften – ausrichten. Bremen bietet das Fach "Religion" in staatlicher Verantwortung In einem Beirat für das Fach sitzen Vertreter*innen der Landeskirchen sowie islamischer Verbände und der jüdischen Gemeinde. an.
  • In den fünf östlichen Bundesländern ThüringenBrandenburgSachsenSachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern gibt es kein Angebot für muslimische Schüler*innen. Als Alternative zum christlichen Religionsunterricht stehen dort Fächer wie Ethik, Lebenskunde oder Philosophie zur Auswahl.

In acht Bundesländern wird ein alevitischerAleviten sind eine eigenständige Glaubensgemeinschaft aus der Türkei, deren Zugehörigkeit zum Islam umstritten ist. Manche Alevit*innen betrachten sich selbst als Muslim*innen, andere als eine nichtmuslimische Religionsgemeinschaft. Religionsunterricht angeboten. 

Wie viele Schüler*innen nehmen am islamischen Religionsunterricht teil?

Im Schuljahr 2019/20 nehmen bundesweit knapp 60.000 Schüler*innen an über 900 Schulen am islamischen Religionsunterricht teil. Im Schuljahr 2015/16 waren es nach einer Auswertung der Kultusministerkonferenz noch rund 42.000 Schüler*innen  gewesen.

Die Nachfrage nach islamischem Religionsunterricht ist damit bei weitem nicht gedeckt: Die Deutsche Islam Konferenz (DIK) kam bereits 2011 zu dem Ergebnis, dass etwa 580.000 Schüler*innen im Alter von 6 bis 18 Jahren einen islamischen und etwa 70.000 Schüler*innen einen alevitischen Religionsunterricht besuchen würden.QuelleMediendienst Integration (2018): Islamischer Religionsunterricht in Deutschland

Weitere Zahlen und Fakten bietet ein Informationspapier, das der MEDIENDIENST im Mai 2020 zusammengestellt hat. Darin finden Sie Informationen zu den Kooperationen der Bundesländer beim islamischen Religionsunterricht, zur Zukunft der befristeten Modellprojekte und Zahlen zum Religionsunterricht insgesamt. 

Islamische Theologie an Universitäten

Wo wird islamische Theologie gelehrt?

Auf Empfehlung des Wissenschaftsrates und in Zusammenarbeit mit der Deutschen Islamkonferenz wurden mit Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) ab 2011 fünf Standorte für islamische Theologie eingerichtet. Nach positiver Evaluierung durch das BMBF wurde beschlossen, das Projekt weiter zu finanzieren, es kamen zwei weitere Standorte hinzu.QuelleLena Dreier, Constantin Wegner (2020): "AIWG-Expertise, Wer studiert Islamische Theologie?"

Aktuell haben sich ca. 2.500 Studierende in Bachelor- und Master- sowie in Lehramts-Studiengängen eingeschrieben. An diesen Standorten werden unter anderem Lehrer*innen für den islamischen Religionsunterricht ausgebildet, aber auch Sozialarbeiter*innen und Theolog*innen für die Arbeit in Moscheen und islamischen Organisationen.QuelleBundesministerium für Bildung und Forschung: Islamische Theologie; Lena Dreier, Constantin Wegner (2020): "AIWG-Expertise, Wer studiert Islamische Theologie?", S. 4.

Für die sieben Standorte an staatlichen Hochschulen und die „Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft“ stellt das Bundesforschungsministerium nach eigenen Angaben von 2011 bis 2024 insgesamt rund 52,5 Millionen Euro zur Verfügung.QuelleBundesministerium für Bildung und Forschung: Zum Koranstudium an die Uni! 29.3.2019

Vernetzung

Zur Vernetzung von Wissenschaftler*innen wurde 2015 am Zentrum für islamische Theologie (ZIT) in Münster die "Deutsche Gesellschaft für islamisch-theologische Studien" (DEGITS) gegründet. Sie ist der erste akademische Fachverband für islamische Theologie in Deutschland. An der Goethe-Universität Frankfurt am Main wurde zudem seit 2017 mit Bundesmitteln und Hilfe der Stiftung Mercator eine "Akademie für Islam in Wissenschaft und Gesellschaft" (AIWG) eingerichtet. Sie soll die Standorte der islamischen Theologie miteinander vernetzen, gemeinsame Forschungsprojekte fördern und den Transfer in die Gesellschaft verstärken.QuelleDEGITS (2016): Satzung; ZIT Aktuelles (2015): Deutsche Gesellschaft für islamisch-theologische Studien (DEGITS) gegründet"

Die meisten Zentren für Islamische Theologie arbeiten mit sogenannten konfessorischen Beiräten zusammen, in denen Vetreter islamischer Religionsgemeinschaften sitzen. Mit ihnen stimmen sie die Besetzung von Lehrstühlen oder die Erstellung von Studien- und Prüfungsordnungen ab. Die Besetzung dieser Beiräte war an mehreren Standorten umstritten.QuelleLange, Anne Kathrin: Islamische Theologie an staatlichen Hochschulen. Nomos, 2014,

Wie viele muslime gibt es weltweit 2022

News Zum Thema: Islam und Muslime

Deutsche Islam Konferenz  Die wichtigsten Ereignisse und Themen

Noch ist unklar, ob die Deutsche Islam Konferenz (DIK) bestehen bleibt. Was hat sie in den letzten Jahren erreicht? Welche Themen standen im Vordergrund? Eine Zeitleiste des MEDIENDIENSTES zeigt zentrale Ereignisse seit Beginn der DIK.

Pressegespräch   Werden Moscheen genug geschützt?

Moscheen sind immer wieder Ziel von Angriffen. Wie können sie besser geschützt werden? Polizeischutz vor den Moscheen schrecke mögliche Täter*innen ab, auch eine informierte Nachbarschaft könne Gemeinden vor Übergriffen schützen, sagen Fachleute auf einem Pressegespräch des MEDIENDIENSTES.

Nach Hanau  Islam-Verbände fordern mehr Schutz für Moscheen

Drohbriefe, Schmierereien, Anschlagspläne: Moscheen sind immer wieder Ziel von Angriffen. Islamische Verbände fordern mehr staatlichen Schutz, unter anderem Polizeistreifen während der Freitagsgebete.

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Wie viele Muslime gibt es aktuell?

Mittlerweile leben in Deutschland zwischen 4,4 und 4,7 Millionen Muslime. Das entspricht ca. 5,4 bzw. 5,7% der Gesamtbevölkerung von 82,2 Millionen.

Wie viele Christen gibt es weltweit 2022?

Mit rund 2,26 Milliarden Anhängern ist das Christentum vor dem Islam und dem Hinduismus die weltweit am weitesten verbreitete Religion. Das Christentum lässt sich in vier Hauptrichtungen unterteilen: die römisch-katholische Kirche sowie die protestantischen, orthodoxen und anglikanischen Kirchen.

Wie viele Christen gibt es auf der Welt?

2,28 Milliarden Menschen Christen.

Wie viele Muslime leben in Frankreich 2022?

Der deutsche „Taschenatlas Europäische Union“ gibt den Anteil der Muslime an der Gesamtbevölkerung Frankreichs mit 8,2 % an, bei etwa 60,5 Millionen Einwohnern wären das etwa 4,96 Millionen Muslime. Inzwischen scheint die Schätzung von ungefähr 5 Millionen Muslimen auch in Frankreich Konsens zu sein.