Wie lange dauert es bis man über die Trauer hinweg kommt?

Im Herbst werden die Herzen schwer. Bei vielen Menschen, die einen nahestehenden Menschen verloren haben, erwacht in der dunklen Jahreszeit die Trauer erneut. Das kann heilsam für die Seele sein, muss es aber nicht. Denn häufig scheitern Trauernde an falschen Erwartungen. Sie bekommen zudem oft Ratschläge von Freunden und Bekannten, die wenig hilfreich sind. „Du musst den Schmerz zulassen“, heißt es da oder: „Jetzt wird es aber langsam Zeit, wieder ins Leben zurückzukehren.“

Die Trauer als ein wichtiges menschliches Gefühl ist nicht sonderlich gut erforscht. Das Bild dieser Emotion beruht zum Teil noch auf Annahmen, die Sigmund Freud vor rund 100 Jahren getroffen hat. Wissenschaftler versuchen nun, mehr über die Trauer zu erfahren. Sie konnten bereits zeigen, wie häufig krankhafte Trauer ist und was im Gehirn der davon Betroffenen passiert.

Die gut gemeinten Ratschläge deuten an, dass es eine richtige und eine falsche Art des Trauerns gäbe. Damit verursachen sie mitunter sogar Schuldgefühle bei Hinterbliebenen. „Wer nichts von Trauerprozessen weiß, hat keine Idee davon, wie Trauernde sich in ihrer Welt fühlen“, erklärt Uta Schmidt vom Bundesverband Trauerbegleitung.

Nach einem Todesfall ist der Leidensdruck Hinterbliebener oft groß, ihr Schmerz kaum mit Worten zu beschreiben. Tiefe Trauer und Sehnsucht, Wut, Verzweiflung, Schuldgefühle, Verbitterung oder Angst vor dem Alleinsein – das alles kann sie umtreiben.

Körperliche Probleme als Trauerfolge

Auslöser solcher Gefühle lauern überall: „Das leere Bett und der leere Stuhl weisen ständig auf das hin, was nicht mehr zurückkommt“, erklärt Schmidt, die im rheinland-pfälzischen Linz am Rhein als Trauerbegleiterin arbeitet. Manche Trauernden spüren den Verlust demnach so stark, dass sie sich „wie amputiert“ fühlen. Hinzu kommen oft körperliche Probleme wie Appetitlosigkeit, Herzrasen oder Schlaflosigkeit.

„Häufig kommen Trauernde zu mir, weil sie Angst haben, verrückt zu werden“, erzählt Schmidt. Die Trauerbegleiterin erklärt dann, dass dieses Gefühl normal ist. Dahinter steckt oft nicht nur das eigene Gefühlschaos, sondern auch eine seltsame Vorstellung von Trauer in der Gesellschaft.

Die geht maßgeblich auf Sigmund Freud zurück. Der Begründer der Psychoanalyse schrieb vor fast 100 Jahren in seinem Werk „Trauer und Melancholie“ (1917), Betroffene müssten aktiv an sich selbst arbeiten, indem sie intensiv an den Verstorbenen sowie die gemeinsame Beziehung denken. Sie sollten, so riet Freud, den Schmerz bewusst suchen und durchleben.

Wer wenig Emotionen zeigt, trauert nicht unbedingt weniger

Der Umkehrschluss daraus: Wer sich nicht genug mit dem Verlust beschäftigt und zu wenig Emotionen zeigt, verdrängt – und läuft Gefahr, mit größerer Wucht von den Ereignissen wieder eingeholt zu werden. Oder aber die mangelnde Trauer offenbart, dass etwas mit der Beziehung oder dem Betroffenen selbst nicht stimmt. Letztlich, so glaubte Freud, führe nur eine entschiedene Abkehr vom Verstorbenen zur Rückkehr in die Normalität.

„Dass seine These falsch sein könnte, ahnte der Psychoanalytiker selbst, nachdem er eigene Verluste verkraften musste“, sagt die Verlustforscherin Kathrin Boerner von der University of Massachusetts in Boston. Auch die Erfahrung vieler Hinterbliebener zeigt das Gegenteil: Sie lösen sich eben nicht komplett vom Verstorbenen, sondern denken selbst nach vielen Jahren noch an ihn zurück und pflegen Rituale, um sich ihm nahe zu fühlen.

Nur der Raum, den dieses Gedenken im Verhältnis zum Alltag einnimmt, schwindet mit der Zeit. Trauer sei keine klar abgrenzbare Phase, die man überwinde, sie habe kein eindeutiges Ende, sagt Boerner: „Die Bindung verändert sich, aber es gibt eine weitergehende innere Verbindung, die vielen Menschen sehr wichtig ist.“

Trauer ist kein krankhafter Prozess

Tatsächlich glauben viele Experten heute, dass jene Menschen, deren Gedanken ständig um den Verstorbenen kreisen, stärker gefährdet sind, keinen Weg mehr aus dem emotionalen Ausnahmezustand zu finden. Im schlimmsten Fall wird die Trauer pathologisch, also krankhaft. Doch auch wenn eine emotionale Achterbahnfahrt die Sorge um die eigene psychische Gesundheit schürt: Meist ist Trauer keineswegs ein krankhafter Prozess, sondern eine normale Reaktion. „Es ist die Kehrseite der Bindung“, erläutert die Psychosomatikerin Anette Kersting vom Universitätsklinikum Leipzig.

Doch wann ist die Sorge um die eigene Verfassung begründet? Entscheidend ist, dass die Trauer einen Menschen nach einem langen Zeitraum – Kersting spricht von 14 Monaten – noch immer stark im Alltag einschränkt. Von dieser pathologischen Form sind nach einer Studie Kerstings rund sieben Prozent der Trauernden betroffen, andere Schätzungen sprechen von zehn bis 20 Prozent.

Aber nicht nur die Dauer sei entscheidend, glaubt Boerner: „Diese Menschen trauern eigentlich von Anfang an anders“, betont sie. Typisch für die pathologische Form ist demnach, dass sie sich einerseits ständig mit der Trauer beschäftigen, andererseits aber versuchen, den Schmerz zu vermeiden. Wenn etwa Trauernde viele Dinge scheuen, die sie früher mit dem Verstorbenen gemacht haben – etwa Spaziergänge. Sie mauern sich mit ihrer Trauer ein und schaffen es nicht mehr, sich aus eigener Kraft dem Leben wieder zuzuwenden.

Richtige Verarbeitung

Für die Verarbeitung eines Verlustes spielen mehrere Faktoren eine Rolle: die Todesumstände, die Art der Beziehung zum Verstorbenen, Alter und Geschlecht sowie die eigene Persönlichkeit. „Es gibt einen Faktor, der besonders ins Gewicht fällt, und das sind vorhergehende psychische Schwierigkeiten“, stellt Boerner fest. Menschen, die vorher schon labil waren, verkraften einen Verlust demnach besonders schlecht.

Männer sind anders krank als Frauen

Lichter der Großstadt

Frauen sind in etwa doppelt so oft von Depressionen betroffen wie Männer. Hintergrund sind oft Stress und hohe Anforderungen im Alltag. Sonderformen wie die Wochenbettdepression tr...eten bei einige Frauen nach der Geburt auf.

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Viagra

Ungefähr die Hälfte aller 40jährigen Männer ist von "erektiler Dysfunktion" betroffen, im Volksmund besser bekannt als Erektionsstörung. Die Ursachen können sowohl physischer, als ...auch psychischer Natur sein. Dementsprechend ist das bekannte Potenzmittel Viagra nicht immer zur Behandlung - oder Behebung - geeignet.

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Sommerhitze

Während andere nur im Sommer schwitzen, leiden Frauen vor allem in den so genannten Wechseljahren oft unter Hitzewallungen. Ein kühles Fußbad ist hier meist keine Abhilfe - oft ist... sogar die Einnahme von Hormonen die einizige Lösung.

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Colin Powell an Prostata-Krebs operiert

Wie viele andere Männer erkrankte auch der frühere US-Außenminister Colin Powell an Prostata-Krebs und wurde 2003 operiert. Ein Prostatakarzinom ist die häufigste Krebserkrankung b...ei Männern. Bis jetzt entdecke man sie am häufigsten bei über 70jährigen; seit immer mehr jüngere Männer zur Vorsorgeuntersuchung gehen, sinkt der Altersschnitt jedoch stetig. Die Heilung ist umso wahrscheinlicher, je kleiner der Tumor noch ist.

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Sylvie van der Vaart

Die Niederländerin Sylvie van der Vaart ist nur eine von vielen Frauen, die an Brustkrebs erkranken. Bereits 2002 verursachte Brustkrebs in Deutschland 2,4% der Todesfälle insgesam...t (Statista 2009).

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Prämenstruelles Syndrom

Das prämenstruelle Syndrom (PMS) und Schmerzen während der Menstruation betreffen aus anatomischen Gründen ausschließlich Frauen. Während Regelschmerzen meist leicht behandelbar si...nd, können PMS-Symptome von Kopfschmerzen bis hin zu Depressionen reichen.

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Glatze

Es ist ein bekanntes Phänomen: Vor allem Männer sind von Haarausfall betroffen, eine teilweise oder sogar ganze Glatze ist oft die Folge. Vorbeugen kann man nicht, behandelt wird j...e nach Ursache, aber oft ohne Erfolg. Je weiter die Glatzenbildung fortgeschritten ist, desto schwieriger wird eine Reaktivierung des Haarwuchses.

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Mann im Krankenhaus

21Prozent der Sterbefälle in Deutschland hatten schon 2002 einen Herzinfarkt als Ursache. Dabei sind Männer häufiger und auch früher betroffen, als Frauen. Die Symptome können sich... unterscheiden: Bei Männern treten meist Brustschmerzen, Atemnot und Übelkeit auf. Frauen nehmen Symptome wie Schulter- und Bauchschmerzen oder Übelkeit bei sich oft anders wahr.

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Auch Männer tun sich eher schwer – ihnen fehlt oft ein gutes soziales Netzwerk. „Häufig ist die Frau in der Beziehung verantwortlich für die sozialen Kontakte, während für Männer oft ihre Ehefrauen die Hauptbezugspersonen sind“, erläutert Boerner. Stirbt sie, fallen sowohl der Ansprechpartner weg als auch das soziale Netzwerk.

Bei Patienten mit pathologischer Trauer fanden Forscher im Nucleus accumbens Veränderungen. Das Hirnareal ist zuständig für Belohnung und Sucht. Dies könnte erklären, so vermutet die Psychologin Mary-Frances O’Connor von der University of Arizona in Tucson, warum diese Menschen nicht aufhören, an den Verstorbenen zu denken: Sie werden vom Gehirn dafür belohnt – ähnlich wie beim Konsum einer Droge.

Fünf-Stufen-Modell ist überholt

Doch nicht neue wissenschaftliche Erkenntnisse prägen für viele Menschen das Bild von Trauer, sondern längst widerlegte Theorien. Neben Freuds Schriften ist das Stufenmodell der Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross aus den 1970er-Jahren bis heute einflussreich. Demnach durchlaufen Trauernde fünf Phasen: Zuerst kommt das Nicht-Wahrhaben-Wollen, dann Zorn, anschließend Verhandlungen mit einer höheren Gerechtigkeit, die dann von einer Depression abgelöst werden und schließlich in der Akzeptanz enden.

Dieses einfache Modell macht das Ende der Trauer scheinbar absehbar: Man muss nur die vorherigen Stufen durchstehen. Allerdings widersprechen Experten Kübler-Ross schon seit Jahren. Nach einer US-Langzeitstudie an älteren Menschen schrieb der Psychologe George Bonanno von der Columbia University in New York schon 2002, dass Trauer bei fast 90 Prozent der Hinterbliebenen anders verläuft als von Kübler-Ross beschrieben.

Fast die Hälfte der Befragten gab 18 Monate nach einem Todesfall an, es sei ihnen einigermaßen gut ergangen. Sie stürzten also nicht in die Phase der tiefen Depression, die sich dann – wie von Kübler-Ross beschrieben – Schritt für Schritt bessert. Dies galt insbesondere für jene Menschen, die vorher schon emotional ausgeglichen waren. „Es gibt viele verschiedene Trauerverläufe, die gesund sind“, unterstreicht auch Boerner.

Lachen stärkt das Immunsystem

Lachen ist gesund - und das stimmt wirklich. Es lockert die Muskeln, befreit Gefühle und setzt Glückshormone frei. Ärzte haben in Studien herausgefunden, dass Lachen auch die Immunabwehr stärkt.

Quelle: dapd

Kersting verweist auf ein anderes Modell, das Margaret Stroebe und Henk Schut von der Universität Utrecht entwickelt haben. Sie beschreiben zwei Pole – einer dreht sich um den Tod und den Verlust, der andere um die Gegenwart und die Zukunft. „Trauernde oszillieren hin und her zwischen diesen beiden Polen“, sagt Kersting. Je mehr man den Trauerfall verarbeitet hat, desto stärker wendet man sich dem Pol zu, der sich mit anstehenden Aufgaben auseinandersetzt.

Dieses Modell steht auch in Einklang mit der Erfahrung vieler Hinterbliebener, die während ihrer Trauer auch Momente der Freude spüren – etwa bei der Erinnerung an gemeinsame Urlaube. Schmidt rät Trauernden sogar, Glücksmomente bewusst zu suchen – auch wenn sie denken, dass von ihnen erwartet werde, Trauer zeigen zu müssen. „Ich habe den Eindruck, dass Trauernde glauben, dass das Umfeld sie bewertet, obwohl das gar nicht so ist“, unterstreicht die Expertin.

Freunde, Nachbarn oder Kollegen sind oft unsicher, wie sie mit Trauernden umgehen sollen. Viele haben Angst davor, etwas Falsches zu tun oder zu sagen. Doch was können sie machen? Zuhören, rät Schmidt, die Trauernden in ihrem Schmerz verstehen, sie ermutigen, neue Schritte zu gehen – und Verständnis zeigen. „Trauernde fühlen sich unterstützt, wenn ihnen ihr eigener Weg mit der Trauer zugestanden wird.“

Wie lange ist es normal zu trauern?

Normale Trauer kann Monate bis Jahre dauern und eine "verbleibende" Resttrauer wird als normal angesehen. In der Regel sind bei einem normalen Trauerverlauf Medikamente und Therapien nicht notwendig. Normale Trauer bedeutet aber nicht, dass diese schmerzfrei ist.

Wann ist die Trauer am schlimmsten?

Das konnte bereits im Jahr 2013 im Rahmen einer umfassenden Studie, an der 680 trauernde Menschen teilnahmen, empirisch nachgewiesen werden,. „Am schlimmsten ist es, wenn man sich nicht verabschieden kann“, zitierte der Leiter des Forschungsprojektes „TrauerERLeben“, Prof. Dr.

Wann wird die Trauer leichter?

"Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich erst im zweiten Jahr nach dem Verlust entscheidet, ob die Beeinträchtigungen abnehmen oder auf hohem Niveau bestehen bleiben, ob also ein normaler Bewältigungsprozess oder ein behandlungsbedürftiges Trauern vorliegt", so die Wissenschaftler.

Wann hört der Schmerz der Trauer auf?

Irgendwann, nach einigen Monaten oder manchmal sogar Jahren, werden diese Momente seltener. Das Leben stabilisiert sich wieder. Oftmals spürt man die Erleichterung darüber, dass der Schmerz über den Verlust ab und zu weniger wird. Und man irgendwann vielleicht wieder unbeschwertere Momente erleben kann.