Wer ist alois siebenpunkt bei biene maja

Donnerstags, 17 Uhr 10, waren die Kinder der Nachkriegskinder fest mit dem Fernseher verabredet. Noch sendete die Bonner Republik auf drei Kanälen, in Sachen Trickfilm aber war die Zeit der reinen US-Importe schon vorbei. Die älteren Geschwister waren vor der Familie Feuerstein groß geworden, mittlerweile aber produzierte das Zweite Deutsche Fernsehen selbst, ließ es seine Serien auch in Japan zeichnen, dessen Markenzeichen auf einmal billige Autos mit unaussprechlichen Namen waren.

Wickie, der Wikinger , war der erste der neuen deutschen Trickfilmhelden, die mangatypisch kulleräugige Heidi war die dritte – und dazwischen, von 1976 bis 1980, strahlte das ZDF 104 Folgen der Biene Maja aus, die es durch schiere Präsenz und Unausweichlichkeit zur – wie es viel später in Berlins Fernsehmuseum hieß – "Identifikationsbiene" brachte.

Ein japanisches Studio setzte die Ideen um

Jedes Kind kannte damals Karel Gotts Titelsong von der "kleinen, frechen, schlauen Biene Maja", und keines konnte begreifen, wie unfreiwillig doppelbödig der Anfang dieses Liedes war: "In einem unbekannten Land / vor gar nicht allzu langer Zeit / war eine Biene sehr bekannt" , sang Karel Gott und ahnte gewiss selbst nicht, dass mit dem "unbekannten Land" auch ein anti-demokratisches Deutschland hätte gemeint sein können, dass die noch nicht allzu lang vergangene Zeit auch die Jahre bis 1945 hätte meinen können und dass die Bekanntheit dieser gewissen Biene das Produkt eines fürchterlichen Weltkriegs war.

Denn dass "Die Biene Maja" mal ein Buch gewesen war – wir hatten ja keine Ahnung. Und den Namen Waldemar Bonsels, mochte er im Vorspann auch genannt werden, hatten wir, Indianerehrenwort, noch nie gehört.Josef Göhlen freilich, Jahrgang 1931 und seit 1963 beim Hessischen Rundfunk in die Produktion der Augsburger Puppenkiste eingebunden, war alt genug, sich an Buch und Bonsels zu erinnern – das eine in seiner Kinderzeit ein Dauerbrenner, der andere ein Haushaltsname.

Karel Gott

"Die Biene Maja" ist eines seiner bekanntesten Lieder: Schlagersänger Karel Gott (Jg. 1939)

Quelle: dpa/DPA

Göhlen leitete ab 1973 die Kinderredaktion des ZDF, und an die Maja erinnerte er sich im Taxi, auf der Fahrt durch München. Matt Murphy, ein Amerikaner, der schon für Walt Disney, William Hanna und Joseph Barbera gezeichnet hatte, entwarf die Figuren, ein japanisches Studio besorgte die Umsetzung, und Eberhard Storeck, die unverwechselbare Synchronstimme der tollpatschigen Drohne Willi, schrieb viele Dialoge.

Die Maja-Fernsehwelt war geschaffen: eine deutsch-amerikanisch-japanische Co-Produktion, die eher in die Zukunft der Achtzigerjahre deutete als in die Blütezeit des Biene-Maja-Bucherfolgs. Als Waldemar Bonsels "Die Biene Maja" schrieb, war er Teil der Schwabinger Boheme, kein berühmter Schriftsteller, sondern ein Dreißiger mit Selbst- und Sendungsbewusstsein, Mittelpunkt eines nicht weiter bedeutenden Literatenzirkels und Verfasser von allem möglichen, darunter ziemlich viele ziemlich schwüle Geschichten, über Don Juan zum Beispiel oder die "Abenteuer einer Tänzerin".

Glaubt man der Anekdote, ist die "Biene Maja" in diesem Umfeld eher ein Unfall. Bonsels teilte sich mit seinem Freund Bernd Isemann Anfang der Zehnerjahre eine Wohnung in Schleißheim, und angeblich wetteten die beiden, wer das erfolgreichere Kinderbuch schreiben könne.

Isemann dokterte ewig an seiner Geschichte einer "Ameisenfreundschaft" herum, die 1920 unter dem Titel "Nala und Re" erschien, um sofort vergessen zu werden. Bonsels hingegen machte Nägel mit Köpfen. "Die Biene Maja und ihre Abenteuer" erschien 1912 in kleiner Auflage – tatsächlich machte das Buch zunächst derart wenig von sich reden, dass bis heute nicht klar ist, wann genau es erschien. Erste Rezensionen stammen aus dem Herbst – wahrscheinlich feiert die Maja irgendwann im Sommer ihren hundertsten Geburtstag.

Maja ist für "Abenteuer bestimmt"

Die Geschichte selbst nimmt den Bonsels der folgenden Jahre vorweg, den die Literaturgeschichte den sogenannten Vagantendichtern zuschlägt, einer Bewegung, an der Hermann Hesse , Oskar Maria Graf und Manfred Hausmann ihren Anteil hatten, deren meiste Vertreter man heute aber nicht mehr kennt.

Hans Reisers Roman "Bischam der Landstreicher" etwa, lange ein Bestseller, ist heute nicht mal mehr Wikipedia-fähig. Die Ungebundenheit, das Streifende, sympathisch Taugenichtsige haben Bischam und die Biene Maja gemein. "Du scheinst eine Ausnahmenatur zu sein", sagt die Geburtshelferin Kassandra zur Maja. Und Maja begreift bald, dass sie nicht "wie die anderen Bienen" ist, sondern "für Erlebnisse und Abenteuer bestimmt".

Eberhard Storeck

Er gab der Drohne Willi eine Stimme: Synchronsprecher Eberhard Storeck (Jg. 1933)

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Damit ist die Struktur des Buchs gerechtfertigt: Bonsels hat sich keinen Plot für seine Biene ausgedacht, ihr Vagabundieren bleibt episodisch, und das ein oder andere Abenteuer, das sie streifend erlebt, hat es tatsächlich bis in Josef Göhlens Fernsehserie gebracht.

Maja begegnet einem Grashüpfer (der anders als im Fernsehen namenlos bleibt), sie begegnet einer Wanze und einem Schmetterling, reist mit einem Elf und begegnet einem dichtenden Marienkäfer namens Alois Siebenpunkt. Hält etwas diese Geschichte vor dem Finale zusammen, dann ist es Majas Sehnsucht nach den bewunderten Menschen sowie Bonsels mal gekonnte, mal kitschtriefende Jugendstil-Prosa: "Ganz nah duftete der Jasmin im Blau."

Anders als viele andere Vaganten jedoch ist Bonsels Biene nicht links. Statt sozial unterprivilegiert zu sein – ohne Geld und ohne Obdach – genießt sie vielmehr das Privileg ihrer quasi-priesterlichen Bestimmung: Ihre Flucht aus dem sicheren, obendrein von den Menschen bewirtschafteten Stock im Schlosspark ist nur eine empfindsame Auszeit.

Der Dichterkäfer Alois Siebenpunkt, von Bonsels als der Lächerlichkeit preiszugebende Gestalt gedacht, erkennt Maja folgerichtig als "Bürgerliche". Später, als man Bonsels, der mittlerweile großen Erfolg mit seinen "Notizen eines Vagabunden" hatte, die Mitarbeit an einer eher sozial ausgerichteten Vagabundenzeitschrift antrug, lehnte der empört ab: "Das "Vagabundentum", schrieb er, "ist nur als geistige Tatsache diskutabel, wie die Germanen und Gothen ‚Vagabunden’ waren, wie es die deutsche Seele ist".

Bonsel lobte Hitler

Es hat nach dem Zweiten Weltkrieg in der Bewertung Bonsels eine Phase der Unentschlossenheit gegeben, die sich wohl vor allem der Tatsache verdankt, dass ein paar von Bonsels Büchern – nicht die Biene allerdings – 1933 von braunen Studenten verbrannt worden sind. Bonsels, hieß es, sei unter Hitler womöglich nur Mitläufer gewesen, ein Opportunist zwar, aber kein richtiger Nazi.

Spätestens seit im vergangenen Jahr im Münchner Literaturhaus ein Bonsels-Symposium stattgefunden hat, dessen Ergebnisse unter dem Titel "Waldemar Bonsels – Karrierestrategien eines Erfolgsschriftstellers" in Kürze von Sven Hanuschek herausgegeben erscheinen werden, ist diese Position jedoch nicht mehr haltbar.

In den dort versammelten Aufsätzen von Hanuschek oder Wilhelm Haefs erscheint Bonsels vielmehr als tiefbraun gefärbt. Eilig spielte er die Verbrennung seiner Vagantenbücher als "Unebenheit", die man der "Regierung nicht "anlasten dürfe" herunter, gleich schrieb ein (nie gedrucktes) Fürstenlob auf Hitler, veröffentlichte antisemitische Pamphlete, nutzte seine Verbindungen in die Reichsschrifttumkammer und zeichnete seine Briefe mit "Heil Hitler".

Maja-Illustration von 1920

Eine Maja-Illustration von 1920

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1941 gratulierte ihm Goebbels zum sechzigsten Geburtstag, 1942 verfasste er ein stramm antisemitisches Vorwort zu seinem Christusroman "Dositos". Für SA-Gebrüll war sich Bonsels als Dichter-Darsteller zu fein, dafür pflegte er einen "Salon-Antisemitismus", der den "alten geklärten, überhellen und kritisch überspitzten Intellekt des jüdischen Menschen" zum "viel zu penetranten Element der Einwirkung auf ein jüngeres Volk" erklärte – "jünger", das sind die Deutschen, vulgo: die Germanen.

In der "Biene Maja" kommen keine Juden vor, aber natürlich ist der naiv-unschuldigen Maja alle "überhitzte Aufgelichtetheit" programmatisch fremd. Im dreizehnten Kapitel nehmen "Die Abenteuer der Biene Maja" eine unerwartete Wendung: Maja wird von den verfeindeten Hornissen gefangen genommen. "Mein Volk, meine Heimat!", schluchzt sie, als sie erfährt, dass die Hornissen zum Angriff auf die Bienen blasen.

Doch Maja kann ihr Volk warnen – "wie eine Kugel aus dem Lauf einer Jagdbüchse" eilt die Ex-Vagantin nach Haus: Das angebliche Kinderbuch verwandelt sich in ein Schlachtengemälde. Maja überkommt "ein hoher Zorn gegen die Feinde und zugleich ein beseligter Opferwille" – eben noch vagabundierende Individualistin, weiß sie nun, was sich für Bonsels gehört: Die Biene ist nichts, ihr Volk ist alles.

Soldaten machten Bonsels reich

"Ich möchte für dich sterben", gesteht sie der Bienenkönigin, sterben aber muss aus dramaturgischen wie identifikatorischen Gründen ein "junger Offizier". "Sein kühner Soldatentod hatte allen die wilde Todesbereitschaft ins Herz gesenkt", schreibt Bonsels.

"Die Abenteuer der Biene Maja", hieß es ein paar Jahre nach Erscheinen plötzlich, würden am Hof des deutschen Kaisers gelesen; zum Bestseller avancierte das Buch dann durch den Feldbuchhandel im Ersten Weltkrieg. Nicht Kinder also, sondern Soldaten machten Bonsels reich, der bald darauf ein Haus am Starnberger See und ein zweites auf Capri besaß und für die wilhelminische Propaganda "empfindsame Kriegsberichte" schrieb.

Die "Maja", die wir Kinder der Kinder des nächsten Kriegs nur aus dem Fernsehen kannten, hatte sich bis 1918 derart als Lehrbuch in Sachen Kadavergehorsam bewährt, dass sie gleich nach dem Krieg ins Fach "Totengräber der Weimarer Republik" wechseln durfte. Der lächerliche Dichterkäfer Alois Siebenpunkt also spricht gegen Bonsels’ Willen wahr: "Sie sind eine Bestie, wie mir scheint", sagt er, als er Maja zum ersten Mal begegnet.

Von all dem blieb in der Fernsehserie nichts mehr übrig – Josef Göhlen, Eberhard Storeck und allen übrigen Beteiligten gelang so etwas wie die Umwertung aller Bonsels-Werte. Mit Majas bestem Freund Willi schufen sie, wozu der verquaste Bonsels niemals in der Lage war, nämlich eine authentisch komische Figur, die Majas Eifer konterkariert und in nichtssagende politische Korrektheit verwandelt.

Im 3D-Flug mit der neuen «Biene Maja» über die Wiese

Ab 2013 kommt Biene Maja zurück ins Fernsehen – allerdings im 3-D-Gewand

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Mit Flip, dem Grashüpfer, beschäftigten sie einen aufgekratzten Erzähler, der das glatte Gegenteil von Bonsels’ Raunen war, und preußischen Militarismus gab es auch nur noch in parodistischer Form – bei den stumpfsinnigen Ameisen. Ob die Jury des "Negativpreises des Roten Elefanten" wusste, wovon sie sprach, als sie der Maja-Serie damals vorwarf, "sich kaum am Original zu orientieren"? Waldemar Bonsels ist 1952 gestorben und wäre ohne die Fernseh-Maja lange vergessen.

Und so bleibt, hundert Jahre nach dem Erscheinen seines einzig überlebenden Buchs, nur ein nagendes Unbehagen zurück. Zwar haben Kriegstreiber, Anti-Demokraten und Nazis jene "Aufmerksamkeit", jenen "Erlebniswillen", jene "Andacht und Ehrfurcht", die Bonsels 1933 der germanischen Natur zugeschrieben und zwanzig Jahre vorher seiner Maja zugedacht hat, nicht gepachtet. Doch wissen sollte man schon, dass die Identifikationsbiene der späten Siebzigerjahre "in einem unbekannten Land / vor gar nicht allzu langer Zeit" mal eine völkische Bonsels-Germanin war.

Waldemar Bonsels "Die Biene Maja und ihre Abenteuer" liegen bei der DVA vor (174 S., 16,95 €, ISBN: 978-3421043207).

In Kürze erscheinen: Sven Hanuschek (Hg.): "Waldemar Bonsels – Karrierestrategien eines Erfolgsschriftstellers". (Harrassowitz, Wiesbaden. 279 S. 24,80 €. ISBN: 978-3447065719)

Harald Weiß: "Der Flug der Biene Maja durch die Medien". (Harrassowitz, Wiesbaden. 470 S., 68 €. ISBN: 978-3447065726).

Wie heißen die Freunde von der Biene Maja?

Zusammen mit ihrem besten Freund Willi, einem Bienenjungen, und Flip, dem Grashüpfer, erkundet sie fröhlich die Welt. Auf ihren Entdeckungsreisen durch die Natur erlebt sie jeden Tag neue Abenteuer, die manchmal lustig und manchmal auch gefährlich sind! Aber Maja ist klug und weiß sich zu helfen.

Wie heißt der kleine Mistkäfer bei Biene Maja?

Ben, der Mistkäfer Der kleine Mistkäfer Ben rollt fast immer eine Mistkugel, wenn Maja ihn trifft.

Wie heißt Biene Maja mit Nachnamen?

Maja, Honigbiene. Helene VIII., regierende Bienenkönigin. Fräulein Kassandra, Majas Erzieherin. Turka, Gehilfin.

Wie heißt die Gottesanbeterin bei Biene Maja?

Biene Maja und ihr Freund Willi sammeln fleißig Honig und erleben täglich neue wundervolle Abenteuer. Aber auch Gefahren gibt es auf der Blumenwiese mehr als genug – da wäre z.B. die Spinne Thekla, eine hungrige Gottesanbeterin oder gar… Mit Hilfe der Kinder werden Maja und Willi alle Abenteuer meistern!