Was haben das klassische konditionieren und das Operante konditionieren gemeinsam?

das erwünschte Gesamtverhalten in einzelne Teilschritte zerlegen, wobei jeder dieser einzelnen Verhaltensweisen verstärkt wird.

Shaping ist in der Lernpsychologie der Vorgang innerhalb der operanten Konditionierung, bei welchem Verstärker das Verhalten immer näher an das gewünschte Ziel heranführen. Beim Shaping wird also nicht erst die vollständige Abfolge der erwünschten Verhaltensweisen verstärkt, sondern bereits jede Annäherung an die gewünschten Verhaltensweisen. Soll also z. B. eine Taube etwa auf einen Punkt auf einer Scheibe picken, so wird bereits verstärkt, wenn die Taube den Kopf zur Scheibe bewegt, dann, wenn sie zur Scheibe schaut, dann, wenn sie sich der Scheibe nähert, dann, wenn sie auf die Scheibe pickt und schließlich, wenn sie den roten Punkt auf der Scheibe trifft. Insbesondere dient diese Technik dem Erlernen komplexerer Verhaltensweisen. Auf diese Weise können auch recht unnatürliche Bewegungsabfolgen bei Tieren konditioniert werden, wie sie etwa im Zirkus zu sehen sind.

Die klassische Konditionierung (engl. classical conditioning) gehört zu den bekanntesten Lerntheorien und ist Teil der Biologie und Psychologie. Sie beschäftigt sich mit der Steuerung von Reaktionen und untersucht die unterschiedlichen Herangehensweisen, die es hierzu gibt.

Klassische Konditionierung Definition

Die klassische Konditionierung ist eine Lerntheorie des Behaviorismus. Dabei lernt ein Lebewesen auf ein bestimmtes Signal hin eine bestimmte unwillkürliche natürliche Reaktion zu zeigen. Deshalb nennt man die klassische Konditionierung auch Signallernen.

Eine unwillkürliche Reaktion bedeutet, dass die Reaktion nicht bewusst gesteuert wird. Natürlich bedeutet, dass die Reaktion angeboren ist. Es wird also kein neues Verhalten gelernt, sondern, ein bereits vorhandenes Verhalten in einer neuen Situation zu zeigen.

Andere Fachbegriffe für Signal sind Reiz oder Stimulus. Daher nennt man die klassische Konditionierung auch Reiz-Reaktions-Lernen oder auf Englisch Stimulus-Response-Learning. Damit Du mit den Abkürzungen für Reiz und Reaktion nicht durcheinander kommst, werden in dieser Erklärung überwiegend der Begriff Stimulus und die Abkürzung S verwendet, während die Abkürzung R für Reaktion steht.

Der Behaviorismus (engl. behavior = "Verhalten")wurde Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA entwickelt und untersucht das direkt beobachtbare Verhalten von Menschen. Behavioristen gehen davon aus, dass jedes menschliche Verhalten gelernt wurde und wieder verändert oder verlernt werden kann. Interne Prozesse wie die Gedanken und Gefühle werden dabei nicht beachtet. Genaueres erfährst Du in der ausführlichen Erklärung zum Behaviorismus.

Klassische Konditionierung einfach erklärt

Der Begründer der klassischen Konditionierung war der russische Chemiker und Physiologie Iwan Pawlow.

Sein berühmtes Experiment mit seinem Hund erklärt, wie genau die klassische Konditionierung funktioniert.

Iwan Pawlow (1849–1936) forschte eigentlich an der Physiologie des Verdauungstraktes und erhielt 1904 sogar den Medizin-Nobelpreis für seine Abhandlungen zur Verdauung. Während seiner Forschungsarbeiten an Hunden bemerkte er, dass bei den Hunden nicht erst beim Fressen vermehrter Speichelfluss auftrat. Stattdessen begannen die Hunde bereits zu speicheln, sobald sie den Mann sahen, der sie immer fütterte. Diese Beobachtung veranlasste Pawlow zu seinem Experiment der klassischen Konditionierung.

Was haben das klassische konditionieren und das Operante konditionieren gemeinsam?
Abbildung 1: Pawlow mit Hund und ForschungsteamQuelle: Zimbardo & Gerrig, 2004

Der Pawlowsche Hund

Pawlow wollte herausfinden, wodurch die Speichelproduktion seiner Vierbeiner beeinflusst wird. Dazu überlegte er sich ein Experiment, mit dem er und das Phänomen der klassischen Konditionierung weltberühmt werden sollten. Die klassische Konditionierung erfolgt, genau wie Pawlows Experiment, in drei Phasen:

  1. Vor der Konditionierung
  2. Während der Konditionierung
  3. Nach der Konditionierung

Phase vor der Konditionierung

Pawlow hatte beobachtet, dass sein Hund Speichel produzierte, sobald er Futter bekam. Das ist ein natürlicher, angeborener Vorgang, der dazu dient, die Verdauung anzuregen.

Das Futter ist damit ein natürlicher oder unkonditionierter Stimulus (engl. unconditioned stimulus, UCS), der eine natürliche oder unkonditionierte Reaktion (engl. unconditioned response, UCR), also den Speichelfluss auslöst. Wenn Pawlow eine Glocke läutet, löst dies keinen Speichelfluss aus. Die Glocke wird daher als neutraler Stimulus (engl. neutral stimulus, NS) bezeichnet.

Phase während der Konditionierung

Der Hund soll nun lernen, bereits auf den Glockenton mit Speichelfluss zu reagieren. Dazu wird der neutrale Stimulus (NS), also die Glocke, geläutet. Direkt danach bekommt der Hund Futter (unkonditionierter Stimulus, UCS) und reagiert darauf mit Speichelfluss (unkonditionierte Reaktion, UCR).

Wichtig ist, dass immer genau diese Reihenfolge beibehalten wird: Zuerst wird der neutrale Stimulus (NS) präsentiert, dann der unkonditionierte Stimulus (UCS). Die Konditionierung erfolgt außerdem schneller, je direkter beide Stimuli zeitlich nacheinander erfolgen. Das nennt man zeitliche Kontiguität. Nur so kann eine Verbindung (auch Assoziation) zwischen NS, UCS und UCR gelernt werden.

Phase nach der Konditionierung

Nach einiger Zeit beobachtete Pawlow, dass sein Hund beim Glockenläuten Speichel produzierte, auch, ohne dass Pawlow dem Hund Futter gab. Durch die Paarung des neutralen Stimulus (NS) Glocke mit dem unkonditionierten Stimulus (UCS) Futter wurde der neutrale Stimulus (NS) zu einem sogenannten konditionierten Stimulus (engl. conditioned stimulus, CS).

Dieser konditionierte Stimulus (CS, Glocke) ist nun allein in der Lage, den Speichelfluss hervorzurufen. Der Speichelfluss ist damit eine konditionierte Reaktion (engl. conditioned reaction, CR).

Wichtige Begriffe der klassischen Konditionierung

Hier findest dDu noch einmal die wichtigsten Begriffe der klassischen Konditionierung im Überblick:

Abkürzung Begriff Englischer Begriff Bedeutung
UCS unkonditionierter Stimulus unconditioned stimulus ein natürlicher Stimulus oder Reiz, der eine natürliche, angeborene Reaktion hervorruft
UCR unkonditionierte Reaktion unconditioned response eine natürliche angeborene Reaktion, die unwillkürlich auf einen natürlichen Stimulus oder Reiz folgt
NS neutraler Stimulus neutral stimulus ein Stimulus oder Reiz, der keine natürliche angeborene Reaktion hervorruft
CS konditionierter Stimulus conditioned stimulus ein vormals neutraler Stimulus oder Reiz, der durch Kopplung mit UCS eine konditionierte Reaktion hervorruft
CR konditionierte Reaktion conditioned response eine durch konditionierten Stimulus oder Reiz hervorgerufene Reaktion, die der UCR gleicht oder ähnelt

Im Rahmen der klassischen Konditionierung gibt es aber noch einige weitere wichtige Begriffe:

  • exzitatorische und inhibitorische Konditionierung
  • (Reiz-)Generalisierung
  • (Reiz-)Diskrimination
  • Extinktion (Löschung)
  • Spontanerholung
  • Rekonditionierung,
  • Kontextabhängige Erneuerung
  • Wiederherstellung

Man unterscheidet bei der klassischen Konditionierung generell zwischen der exzitatorischen und der inhibitorischen Konditionierung.

Die exzitatorische Konditionierung beschreibt das Hervorrufen einer konditionierten Reaktion (CR) durch Koppeln eines zunächst neutralen Stimulus (NS) mit einem unkonditionierten Stimulus (UCS). Inhibitorische Konditionierung bedeutet, dass eine konditionierte Reaktion (UCR) ausbleibt, nachdem der auslösende unkonditionierte Stimulus (UCS) an einen zunächst neutralen Stimulus (NS) gekoppelt wurde.

Der Pawlowsche Hund ist ein Beispiel für exzitatorische Konditionierung. Um dir die inhibitorische Konditionierung vorstellen zu können, hilft Dir das folgende Beispiel:

Ein Kind hat Angst (UCR) vor lautem Donner (UCS). Wenn das Kind bei der Mutter (NS) ist, hat es keine Angst. Hört das Kind lauten Donner (UCS) und ist bei der Mutter, so wird die Mutter zum CS, der dafür sorgt, dass die UCR ausbleibt, das Kind also keine Angst hat.

Ein weiteres wichtiges Phänomen bei der klassischen Konditionierung ist die Generalisierung:

(Reiz-)Generalisierung bedeutet, dass es zum Auslösen der CR nicht unbedingt genau den gelernten CS benötigt. Stattdessen kann auch ein dem CS ähnlicher Stimulus/Reiz die CR auslösen, ohne dass es für jeden ähnlichen Stimulus/Reiz eine neue Konditionierung braucht.

Bereits Pawlow konnte die Generalisierung bei seinem Hund beobachten:

Pawlow fiel auf, dass seine Hunde nicht nur auf den konditionierten Glockenton (CS) mit Speichelfluss (CR) reagierten, sondern auch auf ähnliche Stimuli, wie den Ton eine Flöte oder eines Gongs.

Den Prozess, der der Generalisierung entgegenwirkt, nennt man Diskrimination.

Bei der (Reiz-)Diskrimination wird gelernt, die konditionierte Reaktion nur auf den spezifischen konditionierten Stimulus oder Reiz, nicht aber auf ähnliche Stimuli zu zeigen. Der konditionierte Stimulus wird dafür von anderen Stimuli unterschieden oder diskriminiert.

Bei Pawlows Hund könnte die Reizdiskrimination so aussehen:

Während der Konditionierungsphase wird dem Hund der Glockenton (NS), gepaart mit dem Futter (UCS) präsentiert. Zwischendurch werden dem Hund andere Töne (Flöten, Gongs, oder sogar Glocken mit einem anderen Ton) vorgespielt, allerdings ohne diese mit dem UCS zu paaren. Der Hund lernt also, dass nur ein bestimmter Glockenton mit Futter assoziiert ist. Nach der Konditionierung erfolgt nur auf diesen bestimmten Ton (CS) der Speichelfluss (CR), nicht aber auf die anderen Töne.

Ein konditionierter Stimulus dient einem Organismus als Ankündigung für den erwarteten unkonditionierten Stimulus. Wenn Pawlows Hund also die Glocke hört, rechnet er mit Futter und bereitet sich darauf vor, indem er Speichel produziert. Kündigt der konditionierte Stimulus den unkonditionierten Stimulus aber nicht mehr zuverlässig an, spricht man von Extinktion oder Löschung.

Extinktion oder Löschung bezeichnet das Abschwächen der CR nach mehrmaligem Auftreten des CS ohne Auftreten des UCS bis die CR gar nicht mehr gezeigt wird.

Pawlows Hund kann also die gelernte Verknüpfung sozusagen "vergessen":

Wird die Glocke (CS) mehrfach geläutet, ohne dass der Hund danach Futter (UCS) bekommt, zeigt er irgendwann keinen Speichelfluss mehr nach dem Glockenton.

Genau genommen ist der Begriff Löschung aber nicht ganz richtig. Es gibt bestimmte Phänomene, die zeigen, dass die gelernte Assoziation zwischen CS und CR nie ganz verschwindet:

Spontanerholung bedeutet, dass auf den CS erneut eine CR folgt, wenn nach der Extinktion für einige Zeit weder CS noch UCS präsentiert werden. Die CR ist dann jedoch schwächer als nach der ursprünglichen Konditionierung.

Wenn nach der Extinktion erneut CS und UCS gepaart werden, wird die CR schneller wieder gelernt als nach der ursprünglichen Konditionierung. Das nennt man Rekonditionierung.

Kontextabhängige Erneuerung (engl. renewal): Erfolgt die Phase der Konditionierung in einem bestimmten Kontext A, die Phase der Extinktion aber in einem anderen Kontext B, so wird nach der Extinktion die CR in Kontext B nicht gezeigt, in Kontext A aber schon.

Wird nach der Extinktion erneut der UCS ohne den CS dargeboten, so reicht das für die Wiederherstellung (engl. reinstatement) der CS-CR-Assoziation aus.

Ein besonders für die Psychotherapie wichtiges Phänomen ist die Gegenkonditionierung.

Gegenkonditionierung bedeutet, dass eine gelernte Assoziation sozusagen überschrieben wird, indem der CS mit einem neuen UCS gepaart wird, der eine zur CR gegensätzliche neue UCR auslöst.

Das folgende Beispiel zeigt, wie die Gegenkonditionierung funktioniert:

Wird einer Ratte ein Stromschlag (UCS1) versetzt, zeigt sie eine Furchtreaktion (UCR1). Wird der Stromschlag mit einem Ton (NS) gepaart, wird der Ton zum CS, der die Furchtreaktion (CR) auslöst. Die Ratte soll nun lernen, keine Angst mehr vor dem Ton zu haben. Dazu wird ihr der Ton (CS) zusammen mit einem neuen Stimulus präsentiert, der für die Ratte angenehm ist. Der neue UCS2 ist in diesem Fall Futter. Der Ratte wird also so lange der Ton (CS) zusammen mit dem Futter (UCS2) präsentiert, bis sie beim Ton keine Furchtreaktion mehr zeigt.

Als letzten wichtigen Begriff lernst Du die Konditionierung zweiter Ordnung kennen:

Konditionierung zweiter Ordnung bedeutet, dass ein neuer NS2 mit einem CS gepaart wird. Nach der Konditionierungsphase ist dieser CS2 ebenfalls in der Lage, die CR hervorzurufen, ohne dass er jemals gemeinsam mit dem UCS aufgetreten ist.

Zur Veranschaulichung sehen wir uns noch mal Pawlows Hund an:

Nachdem Pawlow seinen Hund konditioniert hatte, auf den Glockenton mit Speichelfluss zu reagieren, paarte er den Glockenton in einer neuen Konditionierungsphase mit einem schwarzen Quadrat (NS2). Nach der Konditionierungsphase löste auch das schwarze Quadrat (CS2) allein Speichelfluss aus, obwohl es nie gemeinsam mit dem Futter aufgetreten war.

Beispiele zur klassischen Konditionierung

Die klassische Konditionierung ist ein bedeutendes und wichtiges Phänomen – nicht nur bei sabbernden Hunden. Auch bei uns Menschen spielt sie häufig und in vielen Bereichen eine Rolle. Im Folgenden findest Du einige Beispiele, wo die klassische Konditionierung Einfluss auf unser Leben

Klassische Konditionierung – Beispiel Schule

Ein entscheidender Effekt der klassischen Konditionierung ist, dass sie selbst dann funktioniert, wenn die zu konditionierende Person den Mechanismus verstanden hat. Nachdem Du nun alles über die klassische Konditionierung weißt, kannst Du das anhand des folgenden Experimentes einmal ausprobieren. Du benötigst dafür einen Partner oder eine Partnerin, einen Stift, ein Blatt Papier und eine Stoppuhr:

Setz dich auf einen Stuhl und entspanne dich zwei Minuten lang. Dein*e Partner*in stoppt dabei die Zeit und misst anschließend deinen Puls. Alle Messungen werden genau notiert.

Dann tippt dein*e Partner*in fünfmal mit einem Stift auf den Tisch. Direkt danach stehst Du auf und hüpfst 30 Sekunden auf einem Bein, während Dein*e Partner*in wieder die Zeit stoppt. Anschließend messt Ihr erneut deinen Puls.

Das Ganze wiederholt Ihr insgesamt viermal. Beim fünften Durchgang entspannst Du wieder zwei Minuten und Dein*e Partner*in misst anschließend deinen Puls. Dann klopft er oder sie wieder fünfmal auf den Tisch, Du stehst aber daraufhin nicht auf, sondern ihr messt sofort noch einmal deinen Puls.

Wenn die Konditionierung funktioniert hat, sollte dein Puls auch ohne das Hüpfen nach dem Klopfen ansteigen.

Klassische Konditionierung – Beispiel Alltag

Auch im Alltag begegnen uns häufig Ergebnisse der klassischen Konditionierung. Ein häufiges Phänomen, das Du vielleicht von Dir selbst kennst, ist die Angst vor dem Zahnarzt oder der Zahnärztin:

Menschen, die Angst vor zahnmedizinischen Behandlungen haben, bekommen häufig schon Herzklopfen, wenn sie ein Bohrgeräusch nur hören. Aber wie kommt das?

Damit sich dieses Phänomen anhand der klassischen Konditionierung erklären lässt, müssen diese Menschen mindestens einmal die Erfahrung gemacht haben, dass Bohren am Zahn (UCS) Schmerzen und damit einen natürlichen Fluchtinstinkt (UCR) auslöst. Bevor jedoch das eigentliche Bohren beginnt, hört man das Geräusch des Bohrers. Das Geräusch an sich ist zunächst nicht gefährlich (NS), kündigt aber das schmerzhafte Bohren an, es wird also zum CS. In der Folge setzt der Fluchtinstinkt (CR) bereits ein, wenn diese Menschen nur das Bohrgeräusch (CS) hören.

Tatsächlich können auch Menschen Angst vor zahnmedizinischen Eingriffen entwickeln, die noch nie selbst eine schmerzhafte Erfahrung dabei gemacht haben. Dabei kommen andere Lernmechanismen zum Einsatz, wie zum Beispiel das Lernen am Modell.

Menschliches Lernen ist sehr komplex, die klassische Konditionierung erklärt nur einen kleinen Teil davon. Wenn Du Dich für Lernen interessierst, findest Du viele weitere spannende Erklärungen dazu.

Klassische Konditionierung beim Menschen

Pawlow konditionierte seinen Hund absichtlich und systematisch. Die Beobachtung, die ihn zu diesem Experiment veranlasste, war allerdings zufällig und völlig unabsichtlich. Selbst Menschen können gewissermaßen aus Versehen konditioniert werden. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Fliegeralarm im Zweiten Weltkrieg:

Im Zweiten Weltkrieg wurden Bombenangriffe (UCS) mit einem Fliegeralarm (NS) angekündigt, der die Menschen aufforderte, Schutz in Bunkern zu suchen. Die UCR ist Angst und Flucht. Auch lange nach dem Krieg reagieren Menschen, die diese Luftangriffe miterlebt haben, mit starker Angst bei lauten Sirenen oder ähnlichen Geräuschen wie Hupen (= Reizgeneralisierung).

Der Fliegeralarm ist ein Beispiel für eine Traumatisierung. Bei Traumatisierungen werden u. a. ursprünglich neutrale Reize an starke Emotionen, häufig Todesangst, geknüpft. Diese Art der Konditionierung ist lange überdauernd, denn einem Reiz, der eventuell eine Gefahr für unser Leben ankündigt, schenken wir mehr Beachtung.

Falls Du mehr zu Traumatisierungen, posttraumatischen Belastungsstörungen und deren Therapie erfahren möchtest, lies Dir die ausführliche Erklärung dazu durch.

Klassische Konditionierung – Fallbeispiel

John B. Watson führte 1920 ein Experiment durch, das die Anwendbarkeit und Generalisierbarkeit der klassischen Konditionierung am Menschen belegen sollte. Das Experiment lieferte wichtige Informationen zur Entstehung von Angststörungen, ist aber aus heutiger Sicht moralisch fragwürdig und würde von keiner Ethik-Kommission mehr genehmigt werden.

Das Litte-Albert-Experiment

In diesem Experiment präsentierte Watson dem neun Monate alten Albert verschiedene Tiere und Gegenstände, zum Beispiel einen lebenden Affen, einen Hund, ein Kaninchen, eine weiße Ratte und sogar eine brennende Zeitung. Vor keinem der Dinge schien Albert Angst zu haben. Im Gegenteil, er zeigte sich neugierig und schien besonders die weiße Ratte zu mögen und versuchte sie zu streicheln.

Wenn jedoch mit einem Hammer auf eine Eisenstange geschlagen wurde, zeigte der kleine Albert eine Angstreaktion.

In der Konditionierungsphase wurde jedes Mal, wenn Albert die weiße Ratte gezeigt wurde, mit dem Hammer auf die Eisenstange geschlagen. Bald begann Albert zu weinen und machte keine Anstalten mehr, sich der Ratte zu nähern, er hatte offensichtlich Angst.

Nach dieser Phase zeigte er auch ohne das laute Geräusch Angstreaktionen bei der weißen Ratte. Und nicht nur bei der Ratte, auch vor dem Kaninchen, dem Hund und selbst einem Fellmantel und Watson mit einer weißen Maske schien Albert Angst zu haben. Er wandte sich ab und begann zu weinen.

Watson hatte also bei Little Albert eine Furchtreaktion auf die weiße Ratte und alles, was ihr ähnelte (Generalisierung) konditioniert.

Kritik am Experiment

Neben der offensichtlichen moralischen Kritik (es ist bis heute nicht bekannt, wie sich das Experiment auf Alberts weiteres Leben auswirkte), gibt es auch Kritik an der methodischen Durchführung des Experimentes. Es fehlte eine systematische Kontrolle und Quantifizierung aller Variablen. Außerdem wurde das Ausmaß der konditionierten Furchtreaktion in späterer Literatur häufig übertrieben dargestellt.

Wenn Du mehr zur Psychologie als Wissenschaft lernen möchtest und verstehen willst, warum systematische Kontrolle und Quantifizierung von Variablen wichtig ist, lies Dich in die Erklärungen zu den Methoden zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ein.

Klassische Konditionierung in der Psychotherapie

Die klassische Konditionierung spielt auch eine Rolle bei der Entstehung psychischer Störungen, beispielsweise bei posttraumatischen Belastungsstörungen, Ängsten oder Zwängen. Auch in der Therapie dieser Störungen werden Techniken der klassischen Konditionierung angewendet, beispielsweise bei der Aversionstherapie und der systematischen Desensibilisierung.

Aversionstherapie ist eine Methode der kognitiven Verhaltenstherapie. Eine unerwünschte Reaktion wird hier mit einem unangenehmen Stimulus gekoppelt, um das Auftreten der Reaktion zu reduzieren.

Aversionstherapie wird häufig bei Alkoholsucht eingesetzt, wie Dir das folgende Beispiel veranschaulicht:

Ist ein Mensch süchtig nach Alkohol, reagiert er oder sie bereits auf den Anblick einer Flasche Bier (CS) mit starkem Verlangen (Craving= CR). Um diese Verbindung zu lösen, wird der CS mit einem starken aversiven (also unangenehmen) Stimulus gekoppelt. Man würde beispielsweise beim Anblick einer Bierflasche immer ein Mittel (UCS) einnehmen, das starke Übelkeit verursacht (UCR). Nach der Konditionierung wird der Anblick einer Bierflasche nicht mehr das Craving auslösen, sondern Übelkeit.

Auch die systematische Desensibilisierung ist eine Technik der kognitiven Verhaltenstherapie, die Elemente der klassischen Konditionierung beinhaltet.

Bei der systematischen Desensibilisierung werden starke angstbehaftete Stimuli mit Entspannungsübungen verknüpft, um der gelernten Angstreaktion entgegenzuwirken.

Die systematische Desensibilisierung kommt besonders in der Therapie von Angststörungen zum Einsatz:

Eine Patientin hat starke Angst (CR) vor Hunden (CS), weil sie als Kind von einem Hund gebissen wurde. Die Angst ist so stark generalisiert, dass bereits der Gedanke an einen Hund Angst auslöst. In der systematischen Desensibilisierung lernt die Patientin eine Entspannungstechnik (UCS). Entspannung (UCR) ist ein Zustand, der mit Angst unvereinbar ist. Die Patientin soll sich nun in einen entspannten Zustand versetzen und dabei so lange an einen Hund denken, bis die Entspannungsreaktion sozusagen die Oberhand über die Angstreaktion gewinnt. Die Vorstellung an den Hund ist dann im Idealfall nicht mehr an eine Angstreaktion geknüpft, sondern an eine Entspannungsreaktion.

Klassische Konditionierung - Das Wichtigste

  • Die klassische Konditionierung ist eine Lerntheorie des Behaviorismus, die von Iwan Pawlow begründet wurde.
  • Dabei lernt ein Lebewesen auf ein bestimmtes Signal (in der Fachsprache auch Stimulus oder Reiz) hin eine bestimmte unwillkürliche natürliche Reaktion zu zeigen (= Signallernen).
  • Vor der Konditionierung löst ein unkonditionierter Stimulus (UCS) eine unkonditionierte Reaktion (UCR) aus, während ein neutraler Stimulus (NS) keine Reaktion auslöst.
  • Während der Konditionierung wird der neutrale Stimulus (NS) mit dem unkonditionierten Stimulus (UCS) gepaart, um die unkonditionierte Reaktion (UCR) auszulösen.
  • Nach der Konditionierung wird der neutrale Stimulus (NS) zum konditionierten Stimulus (CS), der nun eine konditionierte Reaktion (CR) auslöst.

Was ist der Unterschied zwischen instrumenteller und Operanter Konditionierung?

Obwohl die Bezeichnung instrumentelle Konditionierung meistens mit operanter Konditionierung gleichgesetzt wird, ist diese Gleichsetzung nicht korrekt: Bei der instrumentellen Konditionierung betrachtet man das Verstärken oder Abschwächen von instrumentellem Verhalten.

Was ist das Ziel der klassischen Konditionierung?

Bei der klassischen Konditionierung lernt ein Tier oder ein Mensch eine bestimmte Reaktion (Bedingte Reaktion / CR) auf einen gewissen Reiz (Bedingter Stimulus / CS). Dazu wird der zuvor noch neutrale Reiz (NS) mit einem Reiz, der die konditionierte Reaktion natürlich auslöst kombiniert.

Was ist operante Konditionierung einfach erklärt?

Bei der operanten Konditionierung erfolgt eine Verstärkung auf eine gezeigte Verhaltensweise. Als Verstärkung zählt eine bestimmte Konsequenz, die über die Wiederholung des gezeigten Verhaltens entscheidet.

Was hat klassische Konditionierung mit Lernen zu tun?

Durch die klassische Konditionierung werden also Reaktionen auf bestimmte Reize gelernt, sie wird deshalb auch zu den Reiz-Reaktions Theorien gezählt. Basis für diese Art des Lernens sind angeborene Verhaltensweisen. Wir haben gezeigt, daß es zu einer Anbindung von neutralen Reizen an angeborenes Verhalten kommen kann.