Kalte Hände und Schwitzen unter den Achseln

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Erstellt: 25.06.2013Aktualisiert: 25.06.2013, 09:34 Uhr

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Schwitzen ist der eingebaute Kühlschrank unseres Körpers – durch die Verdunstung des Wassers auf der Haut senkt unser Organismus seine Temperatur und schützt sich vor Überhitzung.

Doch manchmal gerät die biologische Klimaanlage außer Kontrolle – die Betroffenen sind schweißgebadet, obwohl es gar nicht heiß ist

Kalte Hände und Schwitzen unter den Achseln

Dr. Kerstin Seidl © fkn

und sie sich auch nicht besonders anstrengen müssen. Immer Schweißflecken unter den Achseln, die Hände ständig nass – Patienten mit Diagnose Hyperhidrose stehen unter großem Leidensdruck. Allein in München sind rund 10.000 Menschen betroffen. Die tz sprach mit Dr. Kerstin Seidl von der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie in der Thalkirchner Straße über das unangenehme Leiden und die besten Therapien.

Wie viel Schwitzen ist normal?

Dr. Kerstin Seidl: Das ist ganz subjektiv. Jeder Mensch geht damit anders um und leidet auch anders. Wir diagnostizieren die Hyperhidrose auch nicht anhand der Schweißmenge, die produziert wird, sondern es geht darum, dass der Körper völlig sinnlos schwitzt. Diesen Menschen läuft das Wasser den Rücken hinunter, weil sie z. B. in die U-Bahn steigen. Sie sind durchgeschwitzt, obwohl es Winter und bitterkalt ist.

Leiden Ihre Patienten sehr?

Kerstin Seidl: Der Leidensdruck ist oft sehr groß. Ich hatte einen Patienten, der in einer Bank gearbeitet hat und sich fünfmal am Tag ein frisches Hemd anziehen musste. Eine Krankenschwester mit ständig feuchten Händen konnte keine Gummihandschuhe anziehen. Ein Musiker gab kaum Konzerte, weil er auf der Bühne zu schwitzen begann. Zum Glück können wir vielen Patienten sehr gut helfen, wenn es sich um eine typische Lokalisation der Hyperhidrose an den Achseln, Händen und Füßen handelt.

Wann sollte man zum Arzt gehen?

Seidl: Wenn das Schwitzen stört und man einen Behandlungswunsch hat. Meistens beginnen die Symptome in der Pubertät. Oder die Hyperhidrose entsteht im höheren Alter aufgrund einer anderen Erkrankung, eines Tumors zum Beispiel, oder als Folge einer Parkinson-Erkrankung. Auch bei einigen Medikamenten ist übermäßiges Schwitzen eine Nebenwirkung. Vereinfacht gesagt ist im Gehirn die Thermoregulation gestört. Dazu kommt, dass ein gewisser Teufelskreis entsteht. Wer weiß, dass er schwitzige Hände hat und Besuch bekommt, wird nervös, weil er nicht möchte, dass der Gast sich vor dem nassen Händedruck ekelt. Durch die Angst schwitzt er stärker. Die gute Nachricht: Mit professioneller Hilfe lässt sich dieser Kreislauf immer durchbrechen.

Das hilft gegen das Schweiß-Problem

Deos und Sprays: Sind zum Beispiel die Schweißdrüsen der Achseln, der Hände und Füße überaktiv, verschreibt die Medizinerin Kerstin Seidl aluminiumchloridhaltige Lösungen in verschiedenen Konzentrationen in Form von Deos oder Sprays. Auch herkömmliche Deos enthalten Aluminiumchlorid, allerdings sehr viel niedriger dosiert. Diese hochkonzentrierten Deodorantien müssen dauerhaft angewendet werden, und zwar am Abend, damit sich die Salze in der Nacht in den Drüsen einlagern können. Die Schweißdrüsen bilden sich ein wenig zurück und produzieren weniger Flüssigkeit. Als Nebenwirkung kann die Haut gereizt werden. Es entstehen z. B. Ekzeme, die jedoch behandelt werden können. Kerstin Seidl: „Diese aluminiumchloridhaltigen Lösungen helfen oft erstaunlich gut.“

Botox: Zu den Möglichkeiten der örtlichen Behandlungen zählen auch Spritzen mit Botulinumtoxin, bekannt als Botox. Das zahlen jedoch nicht alle Krankenkassen, manche ersetzen die Kosten von circa 600 bis 1000 Euro nur, wenn eine vorherige Therapie mit Tabletten nicht geholfen hat. Botox hilft ausnahmslos allen Patienten, allerdings müssen sie recht leidensfähig sein: Rund 20 Spritzen müssen oberflächlich z. B. in jede Achsel gesetzt werden. Das Nervengift wandert zu den Schweißdrüsen, hemmt dort die Ausschüttung des Botenstoffs, und die Schweißproduktion versiegt. Allerdings wird das Medikament vom Körper abgebaut, daher lässt die Wirkung meist nach sechs Monaten nach, und die Prozedur muss wiederholt werden.

Tabletten: Ebenfalls den Botenstoff zum Angriffspunkt haben die beiden handelsüblichen Medikamente gegen Hyperhidrose. Da sie jedoch im ganzen Körper wirken und nicht nur an den Schweißdrüsen, kann es zu erheblichen Nebenwirkungen kommen. Der Botenstoff Acetylcholin ist nämlich ebenfalls in den Speicheldrüsen im Mund, am Auge, am Herzen und im Gehirn aktiv. Immer klagen die Patienten von Dr. Seidl über Mundtrockenheit: „Manche setzen das Medikament deshalb ab, selbst wenn sie kaum noch schwitzen.“ Eine der gefürchtetsten Nebenwirkungen sind Sehstörungen. Werden die Medikamente jedoch gut vertragen, können sie sehr sinnvoll sein, wenn der Schweißausbruch auf bestimmte Situationen begrenzt ist. Wer nur unter ganz bestimmten Umständen zu schwitzen beginnt, kann das mit einer Tablette in den Griff bekommen.

Bad mit niedrig dosiertem Strom: Bei Problemen an Händen und Füßen gibt es auch gute Erfahrungen mit der sogenannten Leitungswasseriontophorese, bei der ein sehr schwacher Strom durch zwei Becken mit Leitungswasser geleitet wird, in die der Patient seine Hände und/oder Füße hält. Dadurch werden die Ionenkanäle der Schweißdrüsen irritiert, nach circa zehn Behandlungen setzt der Effekt ein. Nicht geeignet ist die Behandlung für Patienten mit Herzschrittmacher oder mit Metallteilen im Körper wie Nägel im Knochen nach Operationen.

Operation: Als letzte Möglichkeit steht die Operation zur Verfügung – es ist die einzige Methode, die auf Dauer hilft. Diese Methode eignet sich besonders für die Achseln, wo die Schweißdrüsen im Fettgewebe eingelagert sind. Die Drüsen werden mit dem Fettgewebe entfernt mittels einer sogenannten Saugkürettage. Doch manchmal erwischt der Arzt nicht alle Drüsen, und die Schweißüberschwemmung hält an, manchmal wachsen Schweißdrüsen auch nach. Kerstin Seidl: „Es ist eine gute Methode, aber sie muss sorgfältig ausgeführt werden. Der Arzt muss versuchen, möglichst alle Schweißdrüsen zu entfernen, aber er darf auch nicht zu viel Gewebe wegoperieren, weil sonst wichtige Gefäße und Strukturen verletzt werden können.“

Ist Schwitzen uncool? Das sollten Sie wissen

Männer im Nachteil

Unser ganzer Körper ist von Schweißdrüsen übersät, allerdings sind diese recht ungleichmäßig verteilt: In den Achselhöhlen, im Handteller und auf der Fußsohle, drängen sich etwa 400 Drüsen pro Quadratzentimeter, im Nacken und auf dem Rücken sind es dagegen nur etwa 55.

Der Schwitzbefehl kommt aus dem Gehirn, der Hypothalamus aktiviert den Botenstoff Acetylcholin, der den Drüsen den Befehl gibt, die Haut mit den kühlenden Wassertröpfchen zu befeuchten. Das gleiche Gehirn­areal wird auch aktiv, wenn ein Mensch nervös ist. Daher bekommt man bei Angst schnell schweißnasse Hände. Jeder wird mit zwei bis vier Millionen Schweißdrüsen geboren. Wie aktiv diese sind, ist jedoch von Mensch zu Mensch verschieden: Frauen haben mehr Schweißdrüsen als Männer, aber Letztere kommen schneller ins Schwitzen.

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