Deutsch ist wer hier steuern zahlt

Anne Müller kennt sich mit Eingriffen aus, mit medizinischen zumindest. Doch auf diesen Eingriff des Staates in ihre privaten Finanzen war die Berliner Chirurgin nicht gefasst. Als der Bescheid kam, traute sie ihren Augen nicht: 18.000 Euro Grunderwerbsteuer soll sie zahlen. Die 35-Jährige hat sich eine kleine Dachgeschosswohnung in Friedrichshain gekauft. Kostenpunkt: 300.000 Euro. Auf den Kaufpreis muss sie, wie jeder, der in der Hauptstadt eine Immobilie erwirbt, sechs Prozent an den Fiskus abführen, in ihrem Fall eben 18.000 Euro.

Was Anne Müller schockt, freut den Berliner Finanzsenator. Denn die Grunderwerbsteuer gehört zu den wenigen Steuern, die allein dem Land zufließen. Seit der Reform von 2006 ist es den Bundesländern freigestellt, die Höhe dieser Abgabe, die beim Erwerb von Bauland oder Immobilien anfällt, selbst zu bestimmen. Zuvor betrug die Grunderwerbsteuer im ganzen Bundesgebiet einheitlich 3,5 Prozent.

In NRW und Schleswig-Holstein sowie dem Saarland ist die Grunderwerbsteuer besonders hoch

In NRW und Schleswig-Holstein sowie dem Saarland ist die Grunderwerbsteuer besonders hoch

Heute, acht Jahre nach der Umstellung, ist der Satz in Berlin auf fast das Doppelte gestiegen. Sechs Prozent verlangt auch Hessen, drei deutsche Bundesländer kassieren sogar 6,5 Prozent, nämlich Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein und das Saarland. Inzwischen haben alle Länder außer den Freistaaten Bayern und Sachsen den Satz erhöht. Dabei war es den Steuerzahlern einst so verkauft worden, dass die Grunderwerbsteuer nach der Liberalisierung sinken könnte. Die Pro-Kopf-Belastung liegt in Berlin schon bei über 200 Euro im Jahr, wie das DIW ausgerechnet hat.

Während Bauherren und Immobilienkäufer wie Anne Müller fluchen, klingeln in den Ländern die Kassen. Das ist nicht nur der Grunderwerbsteuer geschuldet, sondern auch einer zweiten Abgabe, die für die Finanzierung der Landeshaushalte immer wichtiger wird: die Erbschaft- und Schenkungsteuer. Dieser Obolus, der ebenfalls allein den Ländern zusteht, stieg im vergangenen Jahr um üppige 17,7 Prozent auf gut 5,5 Milliarden Euro. Hinter diesem steilen Anstieg stehen teilweise Vorzieheffekte. Firmenerben wollen der kommenden Verschlechterung des Erbschaftsteuerrechts zuvorkommen.

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Auch die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer sind 2014 kräftig gestiegen, und zwar um elf Prozent. Alles in allem brachte sie den Ländern 9,3 Milliarden Euro ein, wie aus Daten des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) hervorgeht. Um die Dimension dieser Abgabenbrocken zu verdeutlichen: Die Biersteuer, die ebenfalls eine reine Länderabgabe ist, spülte nur 684 Millionen Euro in die Haushalte.

Doppelt getroffen

Die Grunderwerbsteuer trifft die Steuerzahler doppelt. Nicht nur der Satz wurde erhöht, der Immobilienboom hat Grund und Boden ohnehin schon verteuert. Vor allem in den Großstädten muss die Abgabe daher auf deutlich höhere Preise entrichtet werden. Allein im Dezember 2014 kletterte das Aufkommen der Grunderwerbsteuer bundesweit um fast 29 Prozent.

Dafür sind auch Vorwegnahmen verantwortlich. Anfang 2015 haben die Bundesländer Nordrhein-Westfalen und das Saarland den Steuersatz ein weiteres Mal hochgeschraubt. Immobilienkäufer dürften sich also beeilt haben, den Kaufvertrag noch schnell im alten Jahr zu den besseren Konditionen unter Dach und Fach zu bringen.

Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer sind stark gestiegen

Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer sind stark gestiegen

Quelle: Infografik Die Welt

Auch insgesamt konnte sich der Staat 2014 über üppige Einnahmen freuen. Im vergangenen Jahr haben Bund und Länder – reine Gemeindesteuern außen vor – gut 593 Milliarden Euro eingenommen: vier Prozent mehr als im Vorjahr. Dem Fiskus kam dabei neben der guten Beschäftigungslage auch die gesteigerte Konsumlaune der Bundesbürger zugute. Trotz eines eher schwachen Wirtschaftswachstums brachten auch höhere Unternehmensgewinne mehr Geld in die öffentlichen Haushalte.

Für den deutschen Staat sind die 593 Milliarden ein Rekordwert. Nie zuvor haben Bund, Länder und Kommunen so viel eingenommen. Den größten Beitrag zu den Staatsfinanzen lieferten Arbeitnehmer und Selbstständige: Angestellte und Arbeiter trugen über die Lohnsteuer 2014 rund 208,7 Milliarden Euro bei, ein Plus von fünf Prozent im Vergleich mit 2013.

Hinzu kamen 62,1 Milliarden Euro aus der Einkommensteuer: Selbstständige, Einzelunternehmer und Personengesellschaften zahlten über sie fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Unweigerlich werfen diese Werte Fragen nach dem Abbau der kalten Progression auf, die Arbeitnehmer und Selbstständige auch dann belastet, wenn die Inflation ihre Einkommensteigerungen in Kaufkraft gemessen auffrisst. Zum Vergleich: Die von großen Unternehmen kassierte Körperschaftsteuer kletterte 2014 nur um 2,3 Prozent auf rund 20,4 Milliarden Euro.

Steuerzahler lassen Gestaltungsspielräume ungenutzt

Das deutsche Steuerrecht mit seinen vielen Ausnahmen und Sonderregeln gilt als eines der kompliziertesten der Welt. Experten gehen davon, dass Bürger dem Staat mehr zahlen, als sie ihm von Gesetzes wegen eigentlich schuldig sind. Gerade bei der Lohn- und Einkommensteuer, aber auch bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer gibt es legale Gestaltungsspielräume, die Steuerzahler häufig ungenutzt lassen.

Hier arbeiten die nettesten Finanzbeamten

Die Steuererklärung zu machen gehört wohl zu den verhasstesten Aufgaben. Aber einige Finanzbeamte versuchen, es ihren Kunden leicht zu machen. Wir verraten, wo die freundlichsten Finanzämter sind.

Quelle: Die Welt

„Die komplizierte Steuergesetzgebung führt dazu, dass viele Steuerzahler zu hohe Steuern entrichten“, sagt Bernd Werner, Vorstand der Lohnsteuerhilfe für Arbeitnehmer e.V. mit Sitz in Gladbeck. So schön das Rekordergebnis für den deutschen Staat sei, aus Sicht des Bürgers müsse es kritisch hinterfragt werden. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass Arbeitnehmer in zahlreichen Fällen zu viel Steuern zahlen.“

Nach Werners Kalkulationen erreichen Lohnsteuerhilfevereine pro Jahr eine Steuererstattung von immerhin 1120 Euro pro Mitglied. Rund die Hälfte der Steuerzahler nehme jedoch gar keine steuerliche Hilfe von Experten in Anspruch. Viele reichten noch nicht einmal eine Steuererklärung ein: „Man muss also davon ausgehen, dass Millionen Steuerzahler unfreiwillig zu dem Rekordergebnis beigetragen haben.“

Zu den „Fallstricken“ im deutschen Steuerrecht zählt vor allem das Reisekostenrecht, mit dem Arbeitnehmer die Fahrtkosten zur Arbeitsstätte geltend machen können. Auch die Besteuerung der Renten und die Behandlung von Ausbildungskosten sind so gestaltet, dass viele Bürger dem Staat unfreiwillige Steuergeschenke machen. „Die nimmt der Fiskus gerne an und hüllt sich in Schweigen“, sagt Werner.

Wer bezahlt in Deutschland die Steuern?

Die Lohn-Steuer muss jeder zahlen, der in Deutschland arbeitet. Die Lohn-Steuer zahlt man nicht selber. Der Arbeit-Geber bezahlt sie an das Finanzamt.

Wer muss in Deutschland keine Steuern zahlen?

Genauer gesagt, sind es 10.347 Euro im Jahr 2022. Liegt Ihr Einkommen unter diesem Wert, müssen Sie keine Steuern zahlen. Es handelt sich dabei um den sogenannten Grundfreibetrag und dieser wird regelmäßig erhöht. Das heißt im Umkehrschluss: Ab dem 10.348sten Euro wird Einkommensteuer fällig.

Wann muss ein Ausländer in Deutschland Steuern zahlen?

Egal ob du Bürger*in aus Deutschland, der EU/EWR/Schweiz oder einem Drittstaat bist und egal, wo dein Wohnsitz ist, wenn du in Deutschland arbeitest, musst du in der Regel auch in Deutschland Steuern zahlen.

Was zahlt ein Deutscher an Steuern?

Insgesamt zahlt ein Deutscher in seinem Leben im Schnitt rund 814.000 Euro an Steuern und Abgaben.