Wie rechtfertigte die SED den Bau der Mauer?

Am Sonntag, den 13. August 1961, regeln Grenzpolizisten, Volkspolizisten, Mitglieder der "Kampfgruppen der Arbeiterklasse" und Soldaten der Nationalen Volksarmee die Sektorengrenze nach West-Berlin und den Berliner Außenring ab. Überall werden Straßen aufgerissen, Panzersperren und Stacheldrahtverhaue errichtet. In den folgenden Tagen beginnen Bautrupps unter Bewachung damit, den Stacheldraht durch eine circa zwei Meter hohe Mauer zu ersetzen, die Berlin in zwei Hälften zerschneidet. Die Bevölkerung in beiden Teilen Deutschlands zeigt sich empört und schockiert.

Vorbereitungen des Mauerbaus

Im Auftrag von Walter Ulbricht ist der Mauerbau unter völliger Geheimhaltung durch den für Sicherheitsfragen zuständigen Sekretär des Zentralkomitees der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), Erich Honecker, vorbereitet worden. Die Erlaubnis zur Einmauerung West-Berlins hat das SED-Regime zuvor durch die Sowjetunion erhalten. Die in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) stationierten sowjetischen Truppen helfen mit, die Errichtung des "antifaschistischen Schutzwalls" zu sichern. Die SED-Führung will so die Massenflucht aus der DDR über West-Berlin beenden.

Abriegelung der Grenze

Erschütternde Szenen spielen sich in den Tagen des Mauerbaus entlang der Sektorengrenze ab. Die Sperranlage schneidet über 50.000 Ost-Berliner von ihren Arbeitsplätzen im Westen ab. Das SED-Regime verringert die Zahl der Grenzübergangsstellen zwischen beiden Stadthälften auf sieben. Das Berliner Verkehrsnetz wird über Nacht an der Sektorengrenze zerschnitten. In Häusern, die an der Grenze liegen, werden Fenster und Türen in Grenzrichtung zugemauert. Die Grenzposten haben Schießbefehl - und sie machen Gebrauch davon. Mindestens 140 Menschen sterben nach 1961 an den Berliner Grenzanlagen.

DDR-Flüchtlinge im West-Berliner Notaufnahmelager Marienfelde; Aufnahme April 1960 (Quelle: Landesarchiv Berlin)





Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der DDR und der Bundesrepublik; 26. Mai 1952 (Quelle: Archiv ZZF)

Dreieinhalb Millionen Menschen flüchten zwischen 1945 und 1961 aus der Sowjetischen Besatzungszone und späteren DDR in die Bundesrepublik. Sie fliehen, weil sie Verwandte im Westen haben, weil ihnen Grund und Boden weggenommen wird, weil sie als Christen benachteiligt und verfolgt werden, weil die Versorgung schlecht ist, weil die politische Freiheit stirbt. Das SED-Regime reagiert auf diese "Abstimmung mit den Füßen" zunehmend härter: Bereits am 26. Mai 1952 sperren militärische Einheiten die Grenze zur Bundesrepublik mit Stacheldraht ab. Wegen des alliierten Status der Stadt läuft der Verkehr über die verbleibenden 81 Sektorenübergänge trotz der wirtschaftlichen und politischen Teilung weiter – und auch die Flucht über Ost- nach West-Berlin. Im Dezember 1957 verschärft die SED-Führung die Strafgesetze: Das Verlassen der DDR wird als "Republikflucht" strafrechtlich verfolgt und mit Haftstrafen bis zu drei Jahren geahndet; schon Vorbereitung und Versuch werden mit Gefängnis bedroht.

Kontakt

RIAS-Bericht über die Versorgungslage in der DDR, 29. Juni 1961 (Quelle: Archiv Deutschlandradio, Sendung: Die Zeit im Funk, Reporter: Peter Herz)





DDR-Flüchtlinge im West-Berliner Notaufnahmelager Marienfelde; Aufnahme April 1960 (Foto: Landesarchiv Berlin)





DDR-Flüchtlinge im West-Berliner Notaufnahmelager Marienfelde; Aufnahme April 1960 (Foto: Landesarchiv Berlin)





Propaganda-Parole in Ost-Berlin; Aufnahme 1960 (Foto: Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Am 27. November 1958 stellt der sowjetische Partei- und Staatsführer Nikita Chruschtschow ein Ultimatum auf: Falls die Westmächte nicht innerhalb von sechs Monaten in Verhandlungen über einen Friedensvertrag und die Umwandlung West-Berlins in eine "Freie Stadt" träten, werde die Sowjetunion einen einseitigen Friedensvertrag mit der DDR abschließen. Sie werde darin alle sowjetischen Rechte und Verantwortungen gegenüber Berlin an die DDR-Regierung abtreten. Das Ultimatum läuft darauf hinaus, den Viermächte-Status der Stadt aufzukündigen, die Westmächte aus West-Berlin zu vertreiben – und die Fluchtbewegung zu unterbinden. Doch die Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich geben dem Druck nicht nach. Zur Enttäuschung der SED-Führung setzt Chruschtschow sein Ultimatum mehrfach aus. Der sowjetische Parteiführer scheint vor der angekündigten Konfrontation und ihren unwägbaren Folgen zurückzuschrecken, die das Risiko eines Atomkrieges mit den Vereinigten Staaten bergen.

Fluchtbewegung aus der DDR und dem Ostsektor von Berlin - Juni bis August 1961





Flüchtlinge vor dem Notaufnahmelager Marienfelde; Aufnahme 31. Juli 1961 (Foto: Landesarchiv Berlin)





Der sowjetische Parteichef Nikita Chruschtschow und der amerikanische Präsident John F. Kennedy in Wien; Aufnahme 3./4. Juni 1961 (Foto: Bundesarchiv)

Im Sommer 1961 schwillt der Flüchtlingsstrom über Berlin dramatisch an. Die DDR-Propaganda wirft dem Westen Abwerbung und Menschenhandel vor, intern kennt man jedoch die wirklichen Fluchtmotive: Ablehnung der politischen Entwicklung in der DDR, bessere Lebenschancen im Westen. Denn seit Frühjahr 1961 verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der DDR rapide, zugleich nehmen die Versorgungsprobleme zu. Die DDR steht vor dem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch. Ulbricht drängt auf einschneidende Maßnahmen, Chruschtschow jedoch mahnt immer noch zur Zurückhaltung. Entscheidungen sollen erst nach seinem Gipfeltreffen mit dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy am 3. und 4. Juni 1961 in Wien getroffen werden. Dort wiederholt Chruschtschow sein Ultimatum, setzt eine neue Frist bis zum Jahresende 1961. Der amerikanische Präsident reagiert auf die Drohungen Chruschtschows entschieden: Er kündigt eine massive Erhöhung der Rüstungsausgaben und die Entsendung von sechs zusätzlichen US-Divisionen nach Europa an.

Bericht einer Brigade der Abteilung Sicherheitsfragen des SED-Zentralkomitees über die Ursachen der Abwanderung aus der DDR, 24. Mai 1961 Niederschrift der Unterredung N. S. Chruschtschows mit J. F. Kennedy in Wien, 4. Juni 1961 (Teil 1) Niederschrift der Unterredung N. S. Chruschtschows mit J. F. Kennedy in Wien, 4. Juni 1961 (Teil 2)






Auslösende Fluchtgründe von 2.810 Flüchtlingen im Juli 1961, 31. Juli 1961 Flüchtlingsaussage von Gerhard Diekmann, 25 Jahre, ledig, Arbeiter in einem VEB, aufgenommen in West-Berlin, 14. August 1961



Kontakt

RIAS-Bericht über die Hintergründe der Flucht eines Ingenieurs aus Leipzig, 17. Juli 1961 (Quelle: Archiv Deutschlandradio, Sendung: Die Zeit im Funk, Reporter: Helmut Fleischer)

Kontakt

RIAS-Interview mit einem geflüchteten Grenzgänger über Anwerbungsversuche des Staatssicherheitsdienstes, 7. August 1961. (Quelle: Archiv Deutschlandradio, Sendung: Die Zeit im Funk, Reporter: Erich Nieswandt)

Kontakt

RIAS-Reportage über die Rede Willi Stophs vor der Volkskammer und das Notaufnahmelager Marienfelde (Propaganda und Realität), 11. August 1961. (Quelle: Archiv Deutschlandradio, Sendung: Die Zeit im Funk, Reporter Rainer Höynck)





Kontakt

James R. Schlesinger, 1961 US-amerikanischer Sicherheitsexperte, über Berlin als Symbol für die Standfestigkeit amerikanischer Politik (Quelle: astfilm productions)





Die entschiedene Haltung der Vereinigten Staaten und die akute Gefährdung der Existenz der DDR im Sommer 1961 veranlassen Chruschtschow schließlich , von seinen weitergehenden Zielen Abstand zu nehmen und stattdessen der Abriegelung der Sektorengrenze in Berlin zuzustimmen. Im Juli 1961 leitet die SED-Führung unter größter Geheimhaltung gemeinsam mit dem sowjetischen Militär konkrete militärische und technische Vorbereitungen zur Grenzschließung ein. Weniger als einhundert Funktionäre aus dem Partei-, Staats- und Militärapparat der DDR sind bis zum Abend des 12. August 1961 in die Pläne eingeweiht.

Kontakt

RIAS-Mitschnitt der Rundfunk- und Fernsehansprache von US-Präsident John F. Kennedy zur sowjetischen Berlin-Politik am 25. Juli 1961 (Quelle: Archiv Deutschlandradio, Sendung: Die Zeit im Funk, Reporter: Max Schulze-Vorberg)





Kontakt

Klaus Schütz, 1961 Berater des Regierenden Bürgermeisters von Berlin, Willy Brandt, über das Chruschtschow-Ultimatum und die drei Essentials von US-Präsident John F. Kennedy vom 25. Juli 1961 (Quelle: astfilm productions)

Wie begründete die SED den Mauerbau?

Die DDR-Regierung ließ im August 1961 die Berliner Mauer errichten. Den Befehl gab der Ministerrat am 12. August unter Führung des SED-Parteichef und Staatsratsvorsitzenden Walter Ulbricht. Mit der Mauer sollte vor allem die Abwanderung der gut ausgebildeten DDR-Bürger und Bürgerinnen gestoppt werden konnte.

Wie wurde der Bau der Mauer gerechtfertigt?

Die Berliner Mauer ging in die Geschichte ein als Symbol des Kalten Krieges und der Teilung Deutschlands. Gebaut wurde sie 1961, um den Flüchtlingsstrom vom Osten in den Westen zu stoppen.

Wer gab den Befehl zum Bau der Mauer?

auf den 13. August 1961 gab Walter Ulbricht, der DDR-Staatsratsvorsitzende, SED-Parteiführer und Vorsitzende des Nationalen Verteidigungsrates der DDR, den Befehl zur Abriegelung der Sektorengrenze in Berlin.

Wie kam es dazu dass die Mauer fiel?

So erzwangen die Reformen des sowjetischen Staatspräsidenten Michail Gorbatschow, die Wirtschaftskrise, die Massenflucht der Menschen in den Westen und die friedlichen Demonstrationen der DDR-Bürgerinnen und -Bürger das Ende der DDR-Diktatur.

Toplist

Neuester Beitrag

Stichworte