Die partei mach kein scheiß mit deinem kreuz

Bundestagswahlkampf: Selbst die Plakate, die beispielsweise die Ingolstädter Straßen säumen, sind seltsam aussagelos

23.08.2021 | Stand 23.08.2021, 9:17 Uhr

Die partei mach kein scheiß mit deinem kreuz
Plakat3 −Foto: Schmatloch

Bundestagswahlkampf: Selbst die Plakate, die beispielsweise die Ingolstädter Straßen säumen, sind seltsam aussagelos

Von Michael Schmatloch

Wenn es die Politiker nicht selbst beteuern würden, man würde es kaum bemerken, dass wir uns in der heißen Phase des Wahlkampfes befinden. In den einschlägigen Umfragen unterbieten sich die Kanzlerkandidaten mit Negativrekorden, wenn die Parteien sich zu Wort meldet, wird es eher peinlich statt erhellend, sie vermitteln den Wählern den Eindruck, dass es bei der gerne als Schicksalswahl bezeichneten Abstimmung im September nur noch darum gehen kann, das möglichst kleinste Übel zu wählen.

Selbst die Plakate, die beispielsweise die Ingolstädter Straßen säumen, sind dieses Mal seltsam aussagelos. „Reinhard Brandl wieder in den Bundestag“ zum Beispiel sagt ja nun inhaltlich wenig bis nichts über das warum. Was aus Sicht der AfD „Deutschland, aber normal“ bedeuten soll, bleibt deren Geheimnis.

Ebenso wie „Nie gab es mehr zu tun“ auf den Plakaten der FDP, auf denen sich Christian Lindner in Schwarzweiß präsentiert, man könnte auch sagen farblos. Und ob mit „Dieses Land kann viel, wenn man es lässt“ auf den sinnfällig blassgrünen Plakaten die Grünen tatsächlich punkten können, bleibt abzuwarten. Im Augenblick bieten sich CDU/CSU und SPD mit jeweils 22 Prozent zumindest in den jüngsten Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen.

„Wer die Wahl hat, hat die Qual“ lautet nicht von Ungefähr ein viel bemühtes Sprichwort. Zumal so ziemlich alle Parteien es den Wählern nicht eben leicht machen zu entscheiden, was denn nun die geringere Qual ist. Mit seinem Kreuzerl sorgsam umzugehen mahnt immer die „Die Partei“ auf ihren Plakaten etwas despektierlich an. „Mach keinen Scheiß mit Deinem Kreuz!“ rät da ein Jesus-Double und sorgt bei dem einen oder anderen zumindest für ein Schmunzeln.

Dass sich Religionsgemeinschaften bisweilen etwas dünnhäutig präsentieren, wenn es um die Zweckentfremdung ihrer Maskottchen geht, ist ein wiederkehrendes Motiv der letzten paar tausend Jahre menschlicher Kulturgeschichte. In dieser Tradition sieht sich auch die Diözese Würzburg, der es gar nicht zu schmecken scheint, dass ihr Lieblingssandalenträger, ein historisch umstrittener jüdischer Wanderprediger namens Jeschua, nun Wahlwerbung abseits der CDU/CSU-Fraktion betreibt. Denn in Bayern ist bald Landtagswahl, und dort macht der Sohn Gottes nun auch für die Partei "Die PARTEI" mobil.

Im christlich geprägten Bayern hängt dieser Tage vielerorts ein etwas ramponiert anmutendes Dornenkranz-Konterfei Jesus' von den Laternenpfählen, der mit einer leicht gequälten Daumen-Hoch-Geste die Wähler auffordert: "Mach keinen Scheiß mit deinem Kreuz!" – und dieses folglich auf den Stimmzetteln bei Die PARTEI zu postionieren.

Die partei mach kein scheiß mit deinem kreuz
"Mach keinen Scheiß mit Deinem Kreuz" – Wahlplakat der PARTEI, Foto: Die PARTEI - Kreisverband Würzburg

Nun adressierte das Würzburger Bistum eine postalische Aufforderung an den Landesverband der PARTEI, diese Plakate "aus dem öffentlich wahrnehmbaren Raum zu entfernen", da man gegen die "Verwendung dieses geschmacklosen, das religiöse Empfinden vieler Menschen wie auch der christlichen Religionsgemeinschaft verletzenden Plakates" protestiere, und ließ dabei auch keine Gelegenheit ungenutzt verstreichen, auf StGB § 166 hinzuweisen.

Das Schreiben wurde vom Landesverband der PARTEI auf Facebook veröffentlicht, einschließlich einer Stellungnahme: Deren Interpretation des Wahlplakates zufolge "müssen [diese] unbedingt bestehen bleiben, um der Wählerschaft in dieser düsteren Zeit beizustehen".

Tatsächlich scheint die PARTEI nicht die einzige Partei zu sein, die in Bayern den Heiland als politisches Kriegsgerät auffährt, obwohl das Verhältnis zu den christlichen Werten allenfalls als zweifelhaft zu beschreiben ist. Woher die Deutungshoheit darüber rührt, welche Verwendung nun bibelkonform ist, und welche nicht, steht noch zu begründen; ebenso bleibt abzuwarten, ob StGB § 166 ausreicht, um als religiöse Interessengruppe in den Wahlkampf einzugreifen und sich gegen politische Religionskritik sakrosankt zu machen.

Aber dieser Konflikt ist nicht die einzige Pointe interpretatorischer Grabenkämpfe über christliche Werte in der Politik. Die Politikerin Andrea Kübert (ebenfalls Die PARTEI) versucht zugleich mit einer ganz anderen Plakatidee in Bezirks- und Landtag einzuziehen. Hier sehen wir die Politikerin selbst abgebildet, blutverschmiert, während sie den abgetrennten Kopf von Markus Söder siegessicher in die Lüfte reckt: "Christliche Werte hochhalten!" steht daneben. Die CSU prüft rechtliche Schritte.

Quelle Wahlplakat: Die PARTEI auf Twitter.