Arm und alt wenn die rente nicht reicht

Arm und alt wenn die rente nicht reicht
Frauen sind besonders von Altersarmut betroffen. (Bild: Unsplash)

Weiblich, alt und arm

Jede:r achte Rentner:in muss in der Schweiz mit knappen finanziellen Mitteln auskommen. Frauen sind besonders betroffen, eine von ihnen ist Janka Babic. Arm im Alter: Diese Recherche zeigt, wieso es so weit kommen kann, wie es den Menschen dabei geht und welche Perspektiven es gibt.

«Mit AHV und Ergänzungsleistungen komme ich auf insgesamt 2600 Franken pro Monat, 400 bleiben für meinen persönlichen Bedarf übrig.» Janka Babic ist seit Februar dieses Jahres frühpensioniert, zuvor musste sie acht Jahre lang Sozialhilfe beziehen. Die 62-Jährige ist eine von 250'000 Personen in der Schweiz, denen das Geld aus der eigenen Altersvorsorge nicht zum Leben reicht.

Üblicherweise setzt sich eine Rente aus dem Guthaben der drei Säulen zusammen. Fast alle Pensionierten erhalten einen Betrag aus der AHV. Nur etwa die Hälfte profitiert von Geldern aus der Pensionskasse oder beruflichen Vorsorge (BVG), und bloss etwa 26 Prozent der Rentner und 14 Prozent der Rentnerinnen können Gelder aus der privaten dritten Säule beziehen. Auf diese Zahlen berufen sich die Ökonomin Nora Meuli und der Sozialwissenschaftler Carlo Knöpfel in ihrer Auslegeordnung der finanziellen Möglichkeiten pensionierter Menschen in der Schweiz. Diese haben sie in Buchform und unter dem Titel «Ungleichheit im Alter» im November 2021 herausgebracht.

Zu wenig, um über die Runden zu kommen

Bis zu ihrer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit und gleichzeitiger Ablehnung einer IV-Rente im Jahr 2014 war Janka Babic als alleinerziehende Mutter von drei Kindern fast durchgehend berufstätig und hatte eine zweite Säule. Aufgrund des geringen Einkommens als Krankenpflegerin kam eine dritte Säule für sie nicht infrage. Ihr damaliger Lohn von 2800 Franken bei einem 80-Prozent-Pensum war zum Leben für vier Personen bereits zu knapp.

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Tatjana Kistler, stellvertretende Kommunikationsleiterin bei Pro Senectute Schweiz, bestätigt die Mechanismen, die in Altersarmut münden können: «Die meisten der Betroffenen haben ein anständiges Leben geführt, immer gearbeitet, Steuern und in die Altersvorsorge eingezahlt. Andere hatten gesundheitlich Schwierigkeiten oder erlitten andere Schicksalsschläge. Einige waren aber schon vor der Pension von staatlicher Unterstützung abhängig.» Altersarm sei jemand, wenn die Gelder aus den ersten beiden Säulen nicht reichen würden, um den Lebensunterhalt im Alter zu decken. Die aktuelle AHV-Minimalrente für Einzelpersonen setzt bei 1195 Franken an, für Ehepaare sind es maximal 2390 Franken. Das Guthaben aus der beruflichen Vorsorge hängt noch stärker von den Einzahlungen während der aktiven Jahre ab und ist deshalb sehr unterschiedlich hoch. Haben Einzelpersonen allerdings ein Vermögen unter 100’000 Franken – für Paare gilt ein Dach von 200’000 Franken –, zählen sie auch zu den Betroffenen.

Ergänzungsleistungen als Lösung?

Hat eine Person ihren Wohnsitz in der Schweiz und liegen die Ausgaben über dem Einkommen, kann sie Ergänzungsleistungen beantragen. Meuli und Knöpfl erklären in ihrer Publikation, dass diese Leistungen nicht nur Menschen mit zu tiefem Einkommen unterstützen, sondern auch jene mit zu hohen Ausgaben. Letzteres trifft meist erst später ein, wenn Menschen nicht mehr so «agil» sind und «fragil» werden. Sprich, wenn sie sich nicht mehr um alles selbst kümmern können und externe Betreuung und Pflege brauchen.

Die meisten der Betroffenen haben ein anständiges Leben geführt, immer gearbeitet, Steuern und in die Altersvorsorge eingezahlt.

Janka Babic kann trotz schweren Rheumas und Arthrose zwar auch heute noch gut zu sich selbst schauen. Sie erhält Ergänzungsleistungen, weil ihr die AHV-Rente allein nicht zum Leben reicht. Wegen der erzwungenen Pensionierung zwei Jahre früher als vorgesehen wurde sie gar noch um 13.6 Prozent gekürzt.

Ihr grösstes Problem aber sind die 276'000 Franken Schulden, die sie nach der Scheidung von ihrem Ex-Mann übernehmen musste. Während der neunjährigen Ehe hatte das Paar ein gemeinsames Konto, durch missbräuchliches Verhalten brachte der Mann die Familie in eine fatale finanzielle Situation. Seit fast zwanzig Jahren versucht nun die Frau, den riesigen Schuldenberg mit 250 Franken pro Monat abzuzahlen. Selbst als sie anfangs Jahr ihr Freizügigkeitskonto mit rund 30'000 Franken auslösen konnte, setzte sie 22'000 Franken davon zur deren Tilgung ein.

Altersarmut ist weiblich

«Frauen sind mit 37 Prozent weniger Rente viel stärker von Altersarmut betroffen als Männer», erklärt Tatjana Kistler von Pro Senectute. In Zahlen ausgedrückt sind das zwei Drittel der 250'000 prekär lebenden Senior:innen in der Schweiz – also etwa 170'000 Frauen.

Nora Meuli und Carlo Knöpfl unterscheiden in ihrer Studie nicht nur zwischen männlich und weiblich, sondern auch zwischen vielen anderen Merkmalen. Dennoch, den Gender Pension Gap zwischen den Geschlechtern führen sowohl Meuli und Knöpfl sowie der Pro-Senectute-Medienverantwortliche Kistler auf die Gegebenheiten der zweiten Säule zurück. Dies hat laut der Expert:innen damit zu tun, dass nach wie vor viel mehr Frauen unbezahlte Care-Arbeit für Kinder und Angehörige leisten und Teilzeit arbeiten. Auch sind sie öfter im Niedriglohnsektor tätig und verdienen bei gleicher Arbeit oft noch immer weniger als ihre männlichen Kollegen. Laut Tatjana Kistler kommen zwei weitere Phänomene dazu: «Die von Altersarmut betroffenen Frauen hatten oftmals gar mehrere Jobs gleichzeitig, erreichten aber die Eintrittsschwelle für die Pensionskasse von 21'600 Franken bei keinem Arbeitgebenden.» Zwar kann man über die AHV seit 1997 Erziehungs- und Betreuungsgutschriften beantragen: «Diese sind jedoch Teil der ersten Säule und kein Einkommen an sich. Ihre Auswirkung auf die Altersrente ist daher insgesamt verschwindend klein», so Kistler.

Sexismus, Mobbing, Lohnungleichheit am Arbeitsplatz? Absolute No-Gos, dennoch nehmen es viele Frauen hin. Das darf nicht sein. Deshalb ist es höchste Zeit für eine Rechtsschutzversicherung von Frauen für Frauen. Wehr dich.

Scham überwinden, sensibilisieren und unterstützen

Das Schlimmste am Leben mit wenig Geld und besonders der Altersarmut ist für viele Betroffene die Angst, dass andere von ihrer schwierigen finanziellen Situation erfahren könnten. So ging es auch Janka Babic: «Lange Zeit habe ich mich sehr geniert; ich dachte, ich wäre die Einzige mit so wenig Geld und schlechten Erfahrungen.»

Bei Pro Senectute versucht man, dem Thema mit einer offenen Haltung entgegenzuwirken: «Altersarmut ist das Ergebnis von bestimmten Arbeitsbiografien und Schicksalsschlägen – und nichts, für das man sich schämen müsste.» Auf der Website der Organisation gibt es viele Informationen und praktische Hilfestellungen wie ein einfach zu bedienender Ergänzungsleistungs-Rechner. Im Rahmen einer aktuellen Studie zum Thema wird man auch neue Zahlen publizieren und je nach Ergebnissen das Phänomen neu definieren müssen. Ziel von Nora Meulis und Carlo Knöpfels Publikation «Ungleichheit im Alter» hingegen ist es, vorhandene Statistiken in einen grossen Zusammenhang zu stellen und mit Praxisbeispielen greifbar zu machen, um die Situation der Rentner:innen in der Schweiz möglichst umfassend darzustellen. Sie hinterfragen auch kritisch, ob sich Sparen überhaupt lohnt, da es dafür im System der Ergänzungsleistungen überhaupt keine Anreize gibt. Vor allem aber geht es ihnen um die politische Sensibilisierung, damit das Schweizer Sozial- und Gesundheitswesen die älteren Generationen und besonders auch Seniorinnen unterstützt und nicht an den Rand der Gesellschaft drängt.

Wann ist man als Rentner arm?

Die durchschnittliche Brutto-Altersrente lag 2019 bei 953,94 Euro monatlich. Und wie definiert sich arm oder reich? Dazu gibt es unterschiedliche Überlegungen: Arm ist, wer als Single-Haushalt unter 1.126 Euro im Monat Netto-Einkommen hat, sagt der Paritätische Wohlfahrtsverband in seinem Armutsbericht 2021.

Wo liegt die Armutsgrenze bei Rentnern in Deutschland?

Nach EU-Standard ist somit ein Rentner, der monatlich nicht mehr als 1.126 € Netto an Rente zur Verfügung hat, arm. Er liegt mit seinem Nettoeinkommen unter der Armutsgrenze!

Wie viel muss ich verdienen um im Alter nicht arm zu sein?

Als von Armut bedroht gilt jemand, der weniger als 60 Prozent des Durchschnittslohns zur Verfügung hat. Das sind aktuell 942 Euro im Monat. Sozialleistungen in Form der Grundsicherung im Alter erhält er aber erst, wenn er unter die Grundsicherungsschwelle von aktuell 747 Euro liegt.

Was kann ich tun wenn die Rente nicht reicht?

Reichen Ihre Einkünfte im Alter oder bei voller Erwerbsminderung nicht für Ihren Lebensunterhalt aus, können Sie Grundsicherung beantragen. In der Grundsicherung sind alle Leistungen enthalten, die auch nach dem Sozialhilferecht gezahlt werden.