Wann kann die Krankenkasse Krankengeld verweigern?

„Wenn die Kasse entscheidet, wann Sie gesund sind“ Mit dieser Schlagzeile berichtet die Zeitung „Die Welt“ darüber, dass Krankenkassen willkürlich Krankengeld einstellen, weil Versicherte angeblich wieder arbeitsfähig sind. Die Versicherten wurden einem Gutachter jedoch gar nicht vorgestellt.

"Die Welt" am 23.02.2015

Die dort beschriebenen Fälle klingen extrem. Sie sind aber nicht selten. Versicherte haben Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht (§ 44 Abs. 1 SGB V). Die Kassen sind (selbstverständlich) berechtigt und in bestimmten Fällen sogar verpflichtet zu prüfen, ob diese Voraussetzung noch erfüllt ist, d.h. ob noch Arbeitsunfähigkeit besteht. Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit dürfen sie eine gutachtliche Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) einholen (§ 275 SGB V). Wenn der MDK die Arbeitsfähigkeit als wiederhergestellt ansieht, kann die Krankenkasse die Zahlung des Krankengeldes einstellen.

Die Frage ist allerdings, wie genau die Überprüfung durch den MDK zu erfolgen hat und wie seine Stellungnahmen zustande kommen. In der Praxis fällt immer wieder auf, dass von Seiten des MDK nur kurze Vermerke nach Aktenlage anstelle echter Gutachten gefertigt werden, ohne dass der MDK-Gutachter den Patienten überhaupt zu Gesicht bekommen hat. So geht es nicht! Ein kurzer Vermerk ist keine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes und deshalb auch nicht geeignet, die Einstellung des Krankengeldes zu rechtfertigen. Eine gutachtliche Stellungnahme im Sinne des Gesetzes verlangt zumindest, dass der begutachtende Arzt sich mit den ihm bekannten Befunden und Diagnosen der behandelnden Ärzte auseinandersetzt, einen Bezug zum Leistungsvermögen des Versicherten herstellt und eine eigenständige Beurteilung abgibt. Die Richtigkeit der ärztlichen Äußerung muss überprüfbar sein. Eine Stellungnahme per Formular ist kein ärztliches Gutachten. Das hat das Bundessozialgericht schon vor Jahrzehnten entschieden (Bundessozialgericht U. v. 07.08.1991 - 1/3 RK 26/90).

In solchen Fällen lohnt sich unbedingt ein Widerspruch gegen den Einstellungsbescheid der Krankenkasse. Ein solcher Widerspruch hat aber keine aufschiebende Wirkung. D.h. die Krankenkasse ist nicht verpflichtet, während eines laufenden Widerspruchsverfahrens das Krankengeld vorläufig weiterzuzahlen. In der Widerspruchsbegründung muss dargelegt werden, dass die Arbeitsunfähigkeit tatsächlich noch besteht.

Sofern ein Versicherter aufgrund der Einstellung des Krankengeldes bedürftig wird, kann u.U. ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht gestellt werden. Dieser Antrag hat Aussicht auf Erfolg, wenn die Beurteilung durch den MDK offenkundig fehlerhaft ist. Die Krankenkasse ist nicht berechtigt, den Versicherten auf den Bezug von Arbeitslosengeld II (Hartz IV) zu verweisen. Dies hat das Bayerische Landessozialgericht in einem Beschluss vom 11.08.2011 entschieden.

Bayerisches Landessozialgericht - 11.08.2011 - L 5 KR 271/11 B ER

Wir beraten und vertreten ständig im Krankenversicherungsrecht. Weitere Informationen zum Thema Krankengeld finden Sie auf unserer Website rkb-recht.de.

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.

Wer arbeitsunfähig erkrankt ist, erhält inklusive Entgeltfortzahlung bis maximal 78 Wochen Krankengeld gezahlt. Oft wird in diesem Zusammenhang auch gefragt, wieviel Krankengeld gibt es, wer hat Anspruch auf Krankengeld und wie lange wird Krankengeld gezahlt. Dabei fällt immer wieder auf, dass einige gesetzliche Krankenkassen versuchen ihre Versicherten aus dem Krankengeld zu drängen. Um ja keine Leistungen mehr zu zahlen. Ein besonderes Beispiel hat die IKK-gesund plus aus Magdeburg abgeliefert. Kurz bevor die Höchstdauer des Krankengeldes ausgeschöpft ist, erlässt die IKK einen Bescheid und teilt die Einstellung des Krankengeldes zum 30.04.2020 mit. Der Versicherte fällt aus allen Wolken. Warum, das sagen wir Ihnen im Beitrag!

 
Der MDK schreibt gesund: darf die IKK das Krankengeld verweigern! Mit zum Teil fragwürdigen und rechtswidrigen Tricks versucht die IKK gesund plus aus Magdeburg, einen Mandanten von rentenbescheid24.de aus dem Krankengeld zu drängen.

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Mit einem Bescheid vom 23.04.2020 teilt die IKK dem Versicherten mit, dass er ab dem 30.04.2020 keinen Anspruch auf Krankengeld mehr habe. Durch eine vorliegende medizinische Beurteilung des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) solle sich ergeben, dass unser Kunde ab dem 30.04.2020 wieder arbeitsfähig sei. Er wird gebeten seine Arbeit wieder aufzunehmen oder sich der Vermittlung der Bundesagentur für Arbeit zu stellen.

MDK schreibt gesund: darf die IKK das Krankengeld verweigern:Bescheid ausgestellt am 23.04.2020, keine Anhörung

Der Bescheid der IKK wurde am 23.04.2020 ausgestellt. Er ist unserem Mandanten an 24.04.2020, einem Freitag, zugegangen. Der 30.04.2020 ist ein Donnerstag. Unser Mandant ist laut seinem behandelnden Internisten und Reumatologen weiter arbeitsunfähig erkrankt und zwar über den 30.04.2020 hinaus.

Die IKK hat unseren Versicherten nicht angehört. Damit er sich auf diese neue Situation einstellen kann. Sie hat ohne seine Kenntnis intern durch dem medizinischen Dienst der Krankenkasse eine gutachterliche Stellungnahme verfassen lassen. Laut dieser Stellungnahme sei unser Kunde wieder arbeitsfähig.

Also liegt eine Spontanheilung, attestiert durch dem MDK der Krankenkasse vor. Obwohl unser Mandant in fast allen Gelenken seines Körpers, verursacht durch eine Stoffwechselerkrankung, zum Teil schwere Arthrose hat. Diese dürfte bei ihm und seinem Lebensalter eigentlich in dieser ausgeprägten Form nicht vorliegen.

Aber laut der IKK ist unser Mandant geheilt. Quasi „gesundgeschrieben“. Im übrigen gibt es keine Gesundschreibung durch einen Arzt, sondern es wird einfach die bestehende Arbeitsunfähigkeit nicht mehr verlängert.

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Der MDK hat die gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage verfasst. Der Arzt des MDK (wenn es einer ist?) hat unseren Mandanten nicht gesehen oder zu einer Begutachtung eingeladen. Dieser Umstand ist für die rechtliche Bewertung wichtig!

MDK schreibt gesund: darf die IKK das Krankengeld verweigern:Widerspruch eingelegt

Gegen den Bescheid der IKK haben wir Widerspruch eingelegt und diesen Widerspruch per Fax an die IKK abgesetzt. Wir haben mitgeteilt, dass der Bescheid der IKK zur Beendigung der Krankengeldzahlung rechtswidrig ist. Und unseren Mandanten in seinen Rechten verletzt. Denn auf Grund der gutachterlichen Stellungnahme (die wir inhaltlich zum aktuellen Zeitpunkt 29.04.2020 noch nicht kennen) durfte die IKK den Krankengeldanspruch unseres Mandanten und die Zahlung nicht einstellen.

Denn die medizinische Bewertung des Gesundheitszustandes durch den MDK ohne persönliche Anwesenheit unseres Mandanten ist unzulässig. Wenn ein Versicherter wegen einer vorliegenden Krankheit arbeitsunfähig ist, dann stellt er sich persönlich beim Arzt vor oder ist in Krankenhausbehandlung. Der Arzt sieht ihn also. Daher ist es nur logisch, dass auch im umgekehrten Fall der Versicherte bei der Bewertung seiner Arbeitsfähigkeit im positiven Sinne durch den MDK dort anwesend sein muss. Denn das Ergebnis des MDK führt zu einer Änderung der Leistungsbeurteilung und damit zur Einstellung des Krankengeldes. So sieht es auch das Hessische Landessozialgericht in einer Entscheidung aus dem Jahr 2007.

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Daneben haben wir auch die Einsicht in die Akten der Krankenkasse gefordert. Damit wir sehen können, ob und wenn ja, was der MDK geschrieben hat.

MDK schreibt gesund: darf die IKK das Krankengeld verweigern:Widerspruch hat aufschiebende Wirkung

Der durch uns eingelegte Widerspruch hat ausfschiebende Wirkung. Diese Feststellung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs ist auch nicht durch die sofortige Vollziehung des Bescheides beseitigt worden. Denn die IKK hat diese nicht angeordnet.

Grundsätzlich hat der Widerspruch gegen die Aufhebungsentscheidung der IKK aufschiebende Wirkung. So hat es auch schon das Bundesversicherungsamt in einem Rundschreiben vom 12.11.2010 und in Ergänzung zum 16.03.2012 gesehen. Die Krankenkassen müssen bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens das Krankengeld weiterzahlen. Natürlich nur, wenn eine neue Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorliegt.

Das Bundesversicherungsamt sagte in seinen Rechtsausführungen auch: Dass es vor einer Aufhebung der Krankengeldzahlung eine Anhörung mit ausreichender Fristsetzung bedarf, damit der Versicherte seine Einwände gegen die geplante Einstellung des Krankengeldes erheben kann.

Kann die Krankenkasse das Krankengeld sperren?

Eine „Sperre“ beim Krankengeld gibt es nicht, auch, wenn das manchmal so wirkt. Grundsätzlich erhalten Patienten ab der 6. Woche einer Arbeitsunfähigkeit Krankengeld. Das ist zumindest der Grundsatz.

Kann die Krankenkasse das Krankengeld einfach einstellen?

Eine Krankenkasse darf die vom Arzt attestierte Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) überprüfen lassen. Wenn der MDK feststellt, dass der Versicherte wieder arbeitsfähig ist, kann die Krankengeldzahlung eingestellt werden.

Wer hat keinen Anspruch auf Krankengeld?

Ab der 7. Woche zahlt die Krankenkasse dann das Krankengeld. Grundsätzlich haben Sie als Arbeitnehmer oder Arbeitnehmerin im Rahmen Ihrer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit Anspruch auf Krankengeld. Dagegen erhalten Beschäftigte in Minijobs, Studierende und Familienversicherte kein Krankengeld.

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