Ein herpes virus sorgt bei pferdehaltern für schrecken

Die einen sprechen von einer „Katastrophe“, andere von „Panikmache“. Klar ist: Der Ausbruch einer aggressiven Variante des Herpesvirus (EHV-1) hat die Pferdesportszene in Aufregung, manche Pferdebesitzer gar in Panik versetzt.

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Was ist passiert? Nach Herpesinfektionen bei einem Reitturnier in Valencia sind viele Pferde erkrankt, mehrere gestorben. Am Freitag beklagte beispielsweise der Nationenpreis-Reiter Sven Schlüsselburg den Tod von acht seiner Tiere. Mittlerweile ist EHV-1 in mehreren europäischen Ländern aufgetreten. Der Weltverband FEI hat daher in Deutschland und zehn weiteren Ländern alle internationalen Turniere bis 11. April untersagt.

Damit ist das Thema natürlich nicht erledigt.

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Problem 1: Eine große Anzahl von Pferden hat das Turnier in Spanien ohne offizielles Gesundheitszertifikat verlassen. Das Risiko einer Übertragung durch diese Pferde ist ein großes Problem.

Problem 2: Die Seuche ist nicht meldepflichtig. Es gibt wahrscheinlich mehr infizierte Tiere als bekannt.

Reit-Branche hofft auf schnelle Normalität

Anruf bei Tierarzt Matthias Mütze, erfahrener Turnierarzt bei Reitsportveranstaltungen, auch im Weltcup. Was hat es mit dem Virus auf sich? Herpes bei Pferden sei nichts Neues, stellt er klar. „Wir haben zu dieser Jahreszeit regelmäßig Ausbrüche.“ Mütze sagt auch: „Was in Spanien passiert ist, ist schon krass.“ Er weist auf die Begleitumstände hin. Die Pferde seien aus ganz Europa gekommen, manche waren 24 Stunden im Lkw unterwegs, viele kamen vom kalten Norden ins warme Spanien. Das bedeute Stress. „Und Stress führt dazu, dass das Immunsystem runtergefahren wird, was anfällig für eine Infektion macht.“ Dazu waren viele Pferde an einem Ort, knapp 1000. Wenn da eines Herpes einschleppt, könne sich die Infektion explosionsartig ausbreiten. Panik sei jedoch nicht angebracht. „Die Rückkehrer aus Spanien sind isoliert, quasi in Quarantäne. Wir müssen abwarten, was sich in den nächsten zwei, drei Wochen tut.“

In der Branche glauben – oder hoffen – viele, dass in wenigen Wochen wieder Normalität herrscht. Auch Otto Becker, Bundestrainer der deutschen Springreiter, ist zuversichtlich. „Wir werden vielleicht noch ein paar Fälle haben. Aber ich bin sehr optimistisch, dass wir ab Anfang April wieder Turniere haben“, sagte er – noch ohne das Wissen, das am Freitagabend der Weltverband den Lockdown bis zum 11. April verlängern würde. Herpes ist jedoch auch für ihn kein neues Thema. „Das Virus gibt es schon immer, in Spanien war es die gefährlichste Form.“ Die Bilder aus Valencia haben ihn geschockt: „Einige Videos konnte ich nicht bis zum Ende anschauen.“ Mit seinen Reitern ist Becker in Kontakt.

Optimistisch ist nicht jeder in der Branche. Das Herpesvirus sei „für das Reiten schlimmer als Corona“, sagte Axel Milkau dem NDR. Der Turnierchef des internationalen Braunschweiger Hallenreitturniers (wegen Corona für 2021 abgesagt) hat den Umgang der Verantwortlichen (FEI, spanischer Verband, Veranstalter) mit dem Virus kritisiert, sprach von einer „Katastrophe“. Nationenpreis-Reiter Michael Kölz hält dagegen: „Das Thema flaut schon wieder ab. Die Leute informieren sich, werden ihre Pferde impfen lassen. Meine Pferde sind geimpft. Ich denke, ab nächstes Jahr wird es Vorschrift sein.“

Auswirkungen von Impfungen müssen noch weiter erforscht werden

Ist Impfung die Rettung? „Das hilft auf jeden Fall, bietet aber keinen hundertprozentigen Schutz. Auch geimpfte Pferde können sterben. Aber Impfung bedeutet mildere Verläufe und weniger Ansteckung“, erklärt Becker. Impfpflicht klinge gut, nur: „Wir wissen noch zu wenig. Wir brauchen mehr Forschung zu dem Thema.“


Schnell reagiert hat der Deutsche Galopp, Dachverband des Pferderennsports in Deutschland: „Impfpflicht gilt ab sofort. Ungeimpfte Pferde sind für die Rennen nicht mehr zugelassen“, wurde bereits am 5. März verfügt. Zwei Tage später durften beim Renntag in Dortmund wegen fehlender Impfung mehrere Pferde nicht starten.

Also alle Pferde sofort impfen? Immerhin kostet eine Dosis nur etwa 30 bis 40 Euro, ist damit ein Klacks gegenüber den Werten, die die Pferde darstellen. Tierarzt Mütze holt tief Luft: „Im Moment ist gar kein Impfstoff zu bekommen!“

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Was tun bei Herpes im Stall?

Das Herpesvirus kann in den Ställen noch zwei bis drei Monate überleben. Daher ist nach Abklingen der klinischen Symptome eine Grunddesinfektion der Stallungen unumgänglich. Auch Pflegegegenstände, Sattelzeug, Halfter, Decken, Gamaschen usw. sollten gründlich gereinigt werden.

Ist Herpes ansteckend für Pferde?

Der Grund: Das Equine Herpesvirus gilt als hochinfektiös. Eine Ansteckung erfolgt durch den direkten Kontakt der Pferde untereinander (Tröpfcheninfektion), es kann aber auch über Gegenstände wie Putzzeug, Mistgabeln, Wassereimer, die Kleidung des Menschen oder Hände übertragen werden.

Wie lange halten sich Herpesviren auf Kleidung Pferd?

„Die Ergebnisse zeigen, dass das Virus bis zu drei Wochen stabil und infektiös bleibt. Die ‚Überlebensdauer' wird durch den pH-Wert und die Temperatur des Wassers bestimmt“, erklärt Anisha Dayaram, Wissenschaftlerin am Leibniz-IZW.

Ist Herpes für Pferde tödlich?

Equines Herpes ist eine weltweit verbreitete Viruserkrankung bei Pferden. Je nach Art des equinen Herpesvirus (EHV) kann die Infektion tödlich verlaufen. Da Pferdeherpes hochansteckend ist, müssen akut erkrankte Tiere unbedingt in Quarantäne.

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